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Foto: REUTERS/Ho
Kinderschreie seien zu hören gewesen, und Mütter mit ihren Sprösslingen haben an den Fenstern verzweifelt auf die Feuerwehrleitern gewartet, berichteten gestern Augenzeugen der Tragödie am Boulevard Vincent Auriol im 13. Stadtbezirk von Paris. Anfangs hieß es, die meisten der 17 Opfer seien Kinder. Innenminister Nicolas Sarkozy, der Freitagmorgen die Brandstätte aufsuchte, sprach von sieben toten Kindern.

Haus war stark überbelegt

Alle Opfer waren afrikanischer Herkunft, sie stammten aus Mali, Senegal, Gambia oder Tunesien; sie hatten teilweise vor mehr als zehn Jahren Antrag auf eine intakte Sozialwohnung gestellt. Bis dahin logierten sie in diesem von der karitativen Vereinigung „Emmaus“ gemieteten und offenbar stark überbelegten Haus.

Ausgebrochen war das Feuer kurz nach Mitternacht im Treppenhaus. Die Flammen griffen so schnell um sich, dass die wenigsten der 130 Bewohner das Haus über die Stiegen verlassen konnten. Die Feuerwehr kämpfte bis nach 3 Uhr gegen die Flammen. Noch am Morgen drang dichter Rauch aus dem Gebäude. Laut Polizei sind die meisten Opfer erstickt.

Das Unglück erinnert an einen Brand, durch den im April in einem Pariser Armenhotel vorwiegend afrikanische Bewohner getötet wurden; die betrunkene Freundin des Portiers hatte wegen eines persönlichen Streits Feuer gelegt.

Keine Feuerlöscher

Auch jetzt wird Brandstiftung nicht ausgeschlossen. Die Debatte dreht sich allerdings weniger um die Brandursache als um die Zustände im Pariser Sozialwohnungsbau. Bewohner erzählten, in den 50 Quadratmeter großen Wohnungen haben oft zwölf bis dreizehn Menschen logiert. Feuerlöscher habe es keine gegeben; das oberste Stockwerk sei aus Sicherheitsgründen zugemauert gewesen und das ganze Haus habe voller Ratten und Mäuse gesteckt.

Der Verein „Emmaus“, der das Haus über eine Privatfirma verwalten ließ, dementierte aber, dass Sicherheitsnormen nicht eingehalten worden seien. Das Haus sei mehrfach renoviert worden. Minister Sarkozy räumte hingegen ein, dass in dem Gebäude Menschen lebten, „die dort niemals hätten sein dürfen“. Bloß sei es angesichts des Andrangs von Immigranten aus Nordafrika schlicht nicht möglich, alle auf angemessene Weise unterzubringen.

Die Regierung hat sich seit Längerem vorgenommen, pro Jahr 100.000 Sozialwohnungen zu stellen und gleichzeitig 15.000 bis 20.000 alte Wohnungen abzureißen. Nichts davon wurde erreicht. Oft werden baufällige Armenhotels nur deshalb stehen gelassen, weil den Bewohnern bei den teuren Mietzinsen in Paris keine andere Bleibe zugewiesen werden kann.

Der Präsident des Vereins „Droit au logement“ („Recht auf Wohnung“), Jean-Baptiste Eyraud, wies darauf hin, dass im Großraum Paris mehr als 50.000 Familien auf den Umzug in eine richtige Wohnung warteten. (DER STANDARD Printausgabe, 27./28.08.2005)