Es war in der Nachspielzeit des ORF-Sommergesprächs am vergangenen Freitag, als BZÖ-Obmann Jörg Haider die erstaunlichste Aussage des Abends tätigte: Er sei grundsätzlich gegen Kapitalismus und Globalisierung, denn diese würden keinen fairen Wettbewerb erlauben, dem Mittelstand schaden und Arbeitsplätze vernichten. Die EU sollte daher alle Billigprodukte, die anderswo unter niedrigeren Umwelt- und Sozialstandards hergestellt werden, mit Schutzzöllen belegen, um so "marktwirtschaftliche Verhältnisse zu ermöglichen".

Man könnte nun einige Kärntner Unternehmer und Konsumenten fragen, ob sie tatsächlich gerne auf kostengünstige Importe aller Art verzichten würden. Wenn dadurch überhaupt ein einziger Arbeitsplatz gesichert wird, dann nur um den Preis eines dramatischen Rückgangs im Lebensstandard.

Nun haben sich auch Haiders Fans daran gewöhnt, seine Aussagen zur Wirtschaftspolitik nicht immer ernst zu nehmen. In diesem Fall aber liegt er im Zeitgeist: Globalisierungskritik ist nicht nur bei Attac-Anhängern und Gewerkschaftern in; selbst in wirtschaftsnahen Kreisen wollen viele nicht begreifen, dass die ständige Verlagerung der Produktion in Länder mit geringeren Kosten jene wirtschaftliche Dynamik schafft, die unseren Wohlstand begründet - und Entwicklungsländern die einzige Chance bietet, der Massenarmut zu entkommen.

Die wachsende Skepsis gegenüber dem Freihandel in Europa hat indes konkrete politische Folgen: Erst unter massivem öffentlichem Druck hat die EU-Kommission die absurde Quotenregelung mit China ausgehandelt, die nun dazu führt, dass Millionen Pullis und T-Shirts in Containern liegen bleiben, obwohl sie von Händlern bezahlt wurden und von Käufern begehrt werden. Niemand scheint dieser Tage vor Haidernomics gefeit. (DER STANDARD, Printausgabe, 29.8.2005)