Wien - "Erinnern Sie sich noch an das 'Gedankenjahr'? War da was - und wenn ja, war's das schon?", fragte zuletzt Politologe Peter Filzmaier in einer STANDARD-Kolumne .

Eine berechtige Frage betrachtet man diesbezügliche Aktivitäten des offiziellen Österreichs. Andernorts war es das aber sicher noch nicht. "Transmitter", das von Bernhard Amann geleitete Jugendkultur-Festival im vorarlbergischen Hohenems, tritt von 30. August bis 3. September an, das Manko im Jubeljahr auszugleichen: Fragen der Gedächtnis- und Erinnerungskultur, die Inszenierung nationaler Mythen der Nachkriegszeit sowie die Konstruktion von Identitätsbildern in Österreich sind Schwerpunktthemen des zum 14. Mal stattfindenden Festivals.

Kein Lalala

Der etwas andere Blick junger HistorikerInnen und Kulturschaffender entwickelt sich auf drei Ebenen: Zwei konzentrierte Tage mit Vorträgen und Diskussionen, eine begleitende Ausstellung, die Kunst- und Medienprojekte zum Thema vorstellt und den künstlerische Intervention der Gruppe Café Temelin im öffentlichen Raum. Als musikalische Draufgabe gibt es ein Konzert von Eva Jantschitsch, aka "Gustav", die auf subtile Art und Weise politisch ist und sich hütet, "irgendwelche unbedarften Lalala-Texte herunterzusingen."

Mehr Hardcore und Punk

Mehr in Richtung Hardcore und Punk geht wie üblich das restliche "Transmitter"-Musikprogramm: Reeflux und Darkest Hour aus den USA, Beecher, Knuckledust und Burning Skies aus Großbritannien oder etwa 4 Sivits und Black Friday 29 aus dem benachbarten Deutschland stehen dabei auf der Playlist. Aber auch sportliche Events wie Skateboardcontest und Fußballturnier dürfen im Programm eines Jugendkulturfestivals selbstverständlich nicht fehlen.

Feiern zum Staatsvertrag, aber auch zur Niederlage

Warum die Staatsvertragsunterzeichnung am 15. Mai 1955 nicht zum einzigen Anknüpfungspunkt in der kollektiven Erzählung von der nationalen Freiheit werden darf, erläutert Historiker Martin Wassermair (netbase, IG Kultur), der auch die begleitende Transmitter-Ausstellung kuratiert hat. Die Idee, die Niederlage zu feiern und per Denkmal zu markieren, stellt Kuratorin und Kritikerin Luisa Ziaja anhand des Projekts "Monument für die Niederlage" vor (beide Di., 30.8.). Daran schließt auch Tina Leischs "Bastelstunde für ein PartisanInnendenkmal" am Folgetag an. Politikwissenschafterin Sylvia Riedmann erstellt abschließend eine Zwischenbilanz (die womöglich schon eine Endbilanz ist) des offiziellen politischen Gedankenjahrs.

Ohnmacht und Aggression

Wie die Ohnmacht der Machtlosen, die Machterhaltenden zum Eingeständnis bestimmter Geschichtslügen zu bewegen, sich mitunter in wütender Aggression entläd, illustriert die virtuelle Kuh-Entführung des kommando freiheit 45 (derStandard.at berichtete. Die Dokumentation der Aktion ist ebenso wie "Praktisch Nix", ein Film von Andreas Dworak zur Geschichtsverweigerung, Teil der Ausstellung "Im Konflikt. Österreich minus2005" im Tennis Event Center Hohenems.

Dunkle Löcher

Auf alle Fälle ungewöhnlich und irritierend die Projekte des Café Temelin: Endstation und Höhepunkt ihrer "25 (twentyfive) Hüsle Tour 2005" ist Vorarlberg: Im Rahmen von "Transmitter" will man besonders auf den langen Schatten, den die NS-Vergangenheit noch immer auf die Gegenwart im Ländle wirft, hinweisen. Unter anderem wird am Festivalort ein symbolisches Loch gegraben: Ein Platz, wo immer Schatten ist. (kafe)