New Orleans - Noch vor der eigentlichen Ankunft des Hurrikan "Katrina" stehen die Straßen in der Früh schon kniehoch unter Wasser, der Strom ist ausgefallen. Es gibt kein Licht, und die starken Regengüsse tauchen weite Teile der Stadt in eine tiefe Dunkelheit. Der Wind zerrt an den wenigen Menschen, die hier noch unterwegs sind, und lässt in den Gebäuden die Möbel erzittern.

Antiquitätengeschäfte, Andenkenläden, Supermärkte, Restaurants, Clubs und Bars - alles hat geschlossen. Vor den Türen stapeln sich Sandsäcke, die Fenster sind mit Spanplatten notdürftig abgedichtet, während sich die Wolken am Himmel immer drohender zusammenziehen.

Warten auf den Abflug

"Ich bin so froh, dass ich weg kann", sagt die Postangestellte Tracy Roberson, die mit ihrer Katze Zora auf dem Schoß wie Tausende andere auf dem Flughafen Louis Armstrong auf den Abflug aus New Orleans wartet. Als die Behörden am Samstag zum ersten Mal eindringlich vor dem anrollenden Hurrikan warnten und die Bevölkerung zur freiwilligen Evakuierung aufriefen, zögerte die 31-Jährige keine Minute, dichtete ihr Haus ab und versuchte ein Ticket in die Sicherheit zu bekommen. Wie sie dachten viele: Die Flugzeuge, die jetzt noch starten, sind bis zum letzten Platz ausgebucht, egal welches Ziel sie ansteuern.

Die Angst geht um

New Orleans hat Angst an diesem Montag. Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 240 Stundenkilometern ist "Katrina" einer der schlimmsten Wirbelstürme, die jemals die US-Küste bedrohten. "Ich will keine Panik verbreiten, aber ich möchte, dass die Bürger wirklich begreifen, dass die Lage sehr ernst ist", sagt Bürgermeister Ray Nagin. "Wir müssen beten, ganz stark beten, dass der Hurrikan sich noch abschwächt", fügt die Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco, hinzu. Schätzungsweise 80 Prozent der rund 485.000 Einwohner waren bis Montag früh aus New Orleans geflohen. Auf den Ausfallstraßen Richtung Norden bildeten sich kilometerlange Staus.

Wer kein eigenes Fahrzeug hat und sich einen Flug nicht leisten kann, flüchtet sich in eines der Hotels, die mit sturmfesten Fenstern und starken Fundamenten ausgestattet sind. Oder in die berühmte Superdome-Sportarena, die bis zu 60.000 Menschen aufnehmen kann. Schon in der Nacht kommen hier mehr als 30.000 Einwohner an - vor allem die Armen und Alten und junge Familien. Und immer mehr Menschen strömen herein. In der Früh macht sich ein Anflug von Panik breit: Wasser sickert in das Gebäude ein. "Es gibt hier ganz komische Geräusche", berichtet ein Radioreporter mit zitternder Stimme. "Die Stimmung ist nervös." Offenbar löse sich die wasserdichte Schicht von der Decke. Die Menschen kletterten auf die Zuschauertribüne, weil der Boden bereits geflutet sei.

Wankende Hotelbetten

Auch am Best Western Hotel im Vieux Carre geht der Regensturm nicht spurlos vorüber. Bei jeder Windböe wanken die Betten. Die Journalistikstudentin Ashley Thomas steht mit Mutter, Cousin und drei Brüdern an der Rezeption, Laptop, Ventilator und Koffer in den Händen, Wasser, Batterien und Lebensmittel im Gepäck. Die Familie wollte die Stadt nicht verlassen, weil eine Angehörige im Krankenhaus liegt und nicht allein zurückbleiben sollte.

Nicht nur für die Bettlägrigen gibt es aber kein Entkommen vor der Naturgewalt. Einige Anwohner wollen ihr Haus einfach nicht verlassen. In Radiodurchsagen werden sie aufgerufen, wenigstens eine Axt bereitzuhalten, um sich bei Überschwemmungen einen Weg freizuschlagen. Für andere hat die Zahl der Mietwagen oder der Flugtickets nicht gereicht. Die Behörden hätten mit der am Sonntag angeordneten Zwangsevakuierung eher beginnen müssen, glaubt Tracy Roberson, die ihren Flugschein ganz fest in den Händen hält. "Ich befürchte, dass es Tote geben wird."(Mira Oberman/AFP)