SPD: Daumen hoch trotz Umfragen-Tief

Berlin - Zweieinhalb Wochen vor der Wahl in Deutschland haben die Sozialdemokraten die heiße Phase des Wahlkampfs mit einem Parteitag in Berlin eröffnet. Sie wollen die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner zuspitzen und den Umfrage-Rückstand aufholen.

Schröder spricht Parteibasis Mut zu: "Nichts ist entschieden"

Der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die SPD-Parteibasis 18 Tage vor der Bundestagswahl zum Kämpfen aufgefordert. "Nichts ist entschieden", sagte Schröder am Mittwoch auf dem SPD-Wahlparteitag in Berlin. "Lasst Euch nicht ins Bockshorn jagen. Auch diese Wahl wird erst in den letzten Tagen entschieden werden". Der Kanzler wandte sich an die große Zahl der Unentschlossenen. Millionen Frauen und Männer hätten ihre Entscheidung noch längst nicht getroffen. "Überlassen Sie diese Entscheidung nicht anderen", appellierte er an sie.

Attacke gegen Merkel

Scharf attackierte Schröder die Politik von Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) und der FDP. Sie wollten eine "Ellbogengesellschaft, in der Neid, Missgunst und Egoismus das Zusammenleben mehr und mehr bestimmen werden". Diese Gesellschaft sei "kalt, unsolidarisch und damit auch unmenschlich". Die Politik von Union und FDP zerstöre "den inneren Frieden in unserem Land", sagte der Kanzler unter dem Beifall der 525 Delegierten und mehreren hundert Gästen.

Begeisterter Empfang

Schröder wurde beim Einzug in das Parteitags-Plenum von den mehr als 2.500 Delegierten und Gästen begeistert gefeiert. Bei der Wahl am 18. September gehe es "um die künftige Richtung, die unser Land einschlägt", sagte Partei-Vize Wolfgang Thierse bei der offiziellen Eröffnung des Parteikongresses.

Thierse griff Union und FDP scharf an. Sie wollten den Sozialstaat "auf sein Gerippe" reduzieren. Die Linkspartei biete nur "einfache Heilsbotschaften". Die SPD stelle sich dagegen den "mühseligen Reformen" des Sozialstaates. Sie biete einen "Vertrag mit den Bürgern" für mehr Wachstum, Zukunfts-Investitionen und eine Reform der Sozialsysteme.

Die mehr als 500 Delegierten wollen einen Wahl-Aufruf beschließen, in dem sich die SPD hinter Schröder und dessen Reform-Politik stellt. "Wir sind auf dem richtigen Weg", heißt es. "Wir erneuern Deutschland Schritt für Schritt, und wir halten das Land zusammen". Schröder sei "der richtige Bundeskanzler für diese schwierige Aufgabe".

Die Union mit Kanzler-Kandidatin Angela Merkel verfolge dagegen "eine Politik der sozialen Kälte", "die unsere Gesellschaft spaltet". CDU/CSU und FDP würden das Konzept der sozialen Marktwirtschaft aufgeben und stünden für eine "Ellbogen-Gesellschaft".

In ihrem Wahl-Aufruf lässt die SPD offen, mit welcher Koalition sie nach der Wahl regieren will. Schröder hat seine Partei eindringlich aufgefordert, die Spekulationen darüber zu beenden.

Umfragen

In den Umfragen liegt die SPD mit etwa 30 Prozent nach wie vor weit hinter den 42 bis 43 Prozent von CDU/CSU, Rot-Grün hätte danach keine Mehrheit mehr. Der Vorsprung von Union und FDP vor SPD, Grünen und Linkspartei ist aber so gering, dass möglicherweise nur eine große Koalition von Union und SPD eine Regierungs-Mehrheit hätte.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Ute Vogt warnte ihre Partei vor einer großen Koalition. "Juniorpartner zu sein, macht keinen Spaß und ist selten von Erfolg gekrönt", sagte sie der "Berliner Zeitung". Ein Bündnis mit der Union komme nur in Frage, "wenn es überhaupt gar keine andere Möglichkeit mehr gibt, Deutschland zu regieren".

Zudem stößt die Zweitstimmenkampagne der Grünen in der SPD auf wachsende Kritik. "Es ist nicht klug und unfair, dass die Grünen uns in einer groß angelegten Kampagne Stimmen wegnehmen wollen", sagte Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) der Tageszeitung "Die Welt". In ihrer Partei gebe es darüber zunehmende Verärgerung. Kastner griff insbesondere Grünen-Wahlkampfmanager Fritz Kuhn an. Die Grünen sollten "fairerweise auch dazu auffordern, mit der Erststimme die SPD-Kandidaten zu wählen". Denn die meisten Direktkandidaten der Grünen seien chancenlos. (APA/dpa/AP)