Hans Mahr - Premiere-Vorstand für Sport, Neugeschäft und Österreich.

Foto: Premiere
Lange war der Österreicher Hans Mahr Manager in Köln: Mal rutscht ihm noch RTL heraus, wenn er seinen neuen Arbeitgeber Premiere meint, mal heißt sein neuer Vorstandschef kurz Gerd statt Georg (Kofler), wie RTL-Boss Gerhard Zeiler. Wir sprechen in einem Zwischenreich: Schon in der "Premiere-Lounge" bei einer Veranstaltung in Berlin, aber noch am Abend von Mahrs letztem Arbeitstag bei RTL.

Stunden zuvor hatte Premiere-Chef Georg Kofler dem STANDARD bestätigt, dass der Abosender dem ORF nach der Bundesliga auch die Österreichrechte an der Champions League wegkaufen will. Rechte für Pay-TV-Rechte und Free TV, wie gerade – unter Protesten eines Teils der Fußballer, von Fans und anderen Medien – in Deutschland.

Österreichische Blätter hatten hinter Mahrs Bestellung zum Premiere-Vorstand für Sport, Neugeschäft und Österreich noch eine Annäherung zum ORF vermutet, zwischen dem Mahr-Hansi und seinem alten Spezi Elmar Oberhauser, Sportchef vom Küniglberg.

"Vorstellungen von vorgestern"

"Wir vertragen uns blendend", sagt Mahr auf Anfrage des STANDARD. "Aber in der Sache gibt es unverrückbare Positionen." Der ORF will wöchentliche Livespiele im Free TV, doch damit macht Premiere sein Geschäft. Mahr: "Weltweit macht Pay TV Livespiele und Free TV die Zusammenfassungen. Alles andere sind Vorstellungen von vorgestern. Darüber gibt es nichts zu diskutieren. Die Livehysterie des ORF kann ich nicht ganz nachvollziehen." Mit einer Ligashow am Sonntag, für die die Anstalt Zweitrechte kaufen müsste, verdiente sie weit besser.

Hohes Interesse an internationalem Fußball

Österreichische Klubs sind in der Champions League deutlich rarer als deutsche. Lohnen die Rechte? Mahr attestiert den heimischen Fans hohes Interesse an internationalem Fußball. Also ja. Bis zu welchem Preis, verrät er naturgemäß nicht. Der ORF dürfte derzeit nach unbestätigten Schätzungen von Insidern zehn bis elf Millionen für drei Jahre Free-TV zahlen. Drei Jahre deutsche Champions League sollen Premiere 200 Millionen Euro kosten.

DSF-Kauf: "Alles ist realistisch, es gibt nichts Unrealistisches"

Für 13 Spiele im Free TV braucht der Abosender bis zum Frühjahr 2006 einen frei empfangbaren TV-Kanal. Für den will der neue Premiere-Vorstand mit Blick auf League-Rechte auch für unser Land "ausreichende Verbreitung auch in Österreich sicherstellen". Kaufen oder neu aufbauen? "Ich hoffe, dass wir möglichst schnell eine möglichst breite Plattform haben", sagt Mahr. Das hieße also Kauf? "Wenn Sie das so sehen", schmunzelt er. Im Gespräch ist dafür stets DSF. Dazu kein Kommentar: "Alles ist realistisch, es gibt nichts Unrealistisches."

Option Basketball und Wintersport

Welche Sportarten nimmt er sich in Österreich als nächste vor? Basketball wäre eine Option, "natürlich Wintersport". Doch der ORF hat einen Zehnjahresvertrag mit dem Skiverband. Mahr: "So lange Verträge sind natürlich nicht EU-konform. Die EU hat eindeutig klargestellt, dass sie alles über drei Jahre beanstanden wird." Dennoch hat sich Premiere über den Skivertrag nicht bei den Wettbewerbsbehörden der EU, sondern bei der österreichischen beschwert. Die prüft derzeit.

2006 wählt der Stiftungsrat wieder einen ORF-General. "Es gibt hervorragende Mitarbeiter im ORF, die hätten sich eine parteipolitisch unabhängige Führung verdient." Mahr empfiehlt den Parteien einen gemeinsamen Kandidaten, "der tatsächlich die Zukunftschancen des ORF wahren kann". Hans Mahr etwa? Er verweist auf "zumindest drei Jahre" Vertrag mit Premiere. Arbeitsbeginn: 1. September 2005. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.9.2005)

Im Folgenden die Langfassung des STANDARD-Interviews mit Hans Mahr.

STANDARD: Gleich nach Ihrer Bestellung zum Premiere-Vorstand für Sport, Neugeschäft und Österreich spekulierten österreichische Medien, das wäre ein Signal für eine Annäherung zwischen Premiere und ORF, dem Mahr-Hansi und seinem Spezi Elmar Oberhauser, dem Sportchef des ORF.

Hans Mahr: Wir vertragen uns blendend. Wir haben auch schon ehrbar gesprochen, aber in der Sache gibt es unverrückbare Positionen. Premiere hat einen Vertrag mit ATV und wenn der ORF etwas will, dann muss er das mit ATV besprechen, weil die von ihren Rechten zurücktreten müssten. Soweit ich informiert bin, gibt es aber im ORF Auffassungen, die jenseits von gut und böse liegen, die sicherlich in keiner Form, auch wenn wir frei wären, Basis für eine Zusammenarbeit mit Premiere sein könnten.

STANDARD: Der ORF will wöchentliche Livespiele.

Hans Mahr: Es ist relativ einfach: Weltweit macht Pay-TV Livespiele und Free TV die Zusammenfassungen. Alles andere sind Vorstellungen von vorgestern. Darüber gibt es auch nichts zu diskutieren. Und wir haben mit ATV einen Partner.

STANDARD: Die vollen drei Jahre?

Hans Mahr: Die vollen drei Jahre. Wir hatten einen etwas holprigen Start, aber das hat sich immer mehr verbessert. Die Formate von ATV sind hervorragend gemacht. Da gibt’s nichts mehr zu meckern. Der ORF hat ein Jahr lang versucht, den österreichischen Fußball zu boykottieren. Ergebnis war der beste Bundesligastart seit zehn Jahren. Die Liga ist nicht abhängig vom ORF. Das zeigt, dass auch die Kräfte des einst so allmächtigen ORF beschränkt sind.

STANDARD: Sie wollen nun dem ORF auch die Rechte an der Champions League wegkaufen.

Hans Mahr: Warum soll für Österreich etwas anderes gelten als für Deutschland? Premiere wird sicher ein Angebot für Pay TV und Free TV machen. Wir werden ja auch eine Sportplattform im Free TV haben, für die wir ausreichende Verbreitung auch in Österreich sicherstellen werden. Dann kann man dasselbe auch in Österreich machen.

Wir sind nicht in Österreich eingestiegen, um uns nach kurzer Zeit wieder zurückzuziehen. We are here to stay. Wir haben schneller als erwartet unser Ziel von 100.000 neuen Abonnenten erreicht. Die Strategie ist aufgegangen, also werden wir auf diesem Weg weitergehen, ob es dem ORF oder irgendjemand anderem passt oder nicht.

STANDARD: Werden Sie diese Free-TV-Plattform zukaufen? Aufbauen?

Hans Mahr: Möglichkeit 1 ist, man kauft etwas ein. Möglichkeit 2: Man arbeitet mit jemandem zusammen auf dessen Frequenz. Möglichkeit 3 ist, man schafft alles neu. Ich gehe davon aus, wir können innerhalb von einem halben Jahr eine Lösung präsentieren.

STANDARD: Das müssen Sie laut Vertrag über die Champions League bis zum Frühjahr.

Hans Mahr: Wenn nicht, werden wir sie zurückgeben. Die Möglichkeit gibt es ja immer noch. Ich hoffe, dass wir möglichst schnell eine möglichst breite Plattform haben.

STANDARD: Am schnellsten geht das mit einem Zukauf.

Hans Mahr: Wenn Sie das so sehen.

STANDARD: Wie realistisch ist die Übernahme von DSF?

Hans Mahr: Im Moment kommentieren wir das alles nicht. Alles ist realistisch, es gibt nichts Unrealistisches, aber jetzt wollen wir uns mal darauf konzentrieren, unsere Ankündigungen auch umzusetzen.

STANDARD: Welche Sportarten nimmt sich Premiere unter dem Sportvorstand Hans Mahr als nächstes vor?

Hans Mahr: Wir haben schon Eishockey. Basketball halte ich für eine durchaus attraktive Sportart, vor allem in Österreich. Da identifizieren sich Fans stärker als in anderen Sportarten. Das könnte ein nächster Schritt sein. Und dann könnte man natürlich im Wintersport mehr machen.

STANDARD: Hätte der ORF keinen Zehnjahresvertrag mit dem Skiverband.

Hans Mahr: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da kurzfristig eine Möglichkeit gibt. Aber eines ist klar: So lange Verträge sind natürlich nicht EU-konform. Die EU hat eindeutig klargestellt, dass sie alles über drei Jahre beanstanden wird. Man wird sehen, wie das weitergeht.

STANDARD: Premiere hat in dieser Causa erst einmal die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde eingeschaltet, die derzeit prüft.

Hans Mahr: Wir alle wissen, dass die Mühlen in Österreich langsam mahlen. Aber oft - siehe die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegen den ORF in Sachen Bundesligakurzberichte - entscheiden sie dann auch gerecht.

STANDARD: Bundesliga und ORF: Der ORF weigert sich strikt, Zweitrechte nach ATV+ zu kaufen.

Hans Mahr: Ich mische mich nicht in interne Angelegenheiten des ORF ein. Aber ich weiß von Berechnungen, dass der ORF mit einer Bundesligazusammenfassung am Sonntag weit höhere Einnahmen erzielen könnte als mit Livespielen. Die Livehysterie des ORF kann ich nicht ganz nachvollziehen.

STANDARD: ATVplus will seine Zusammenfassungen am Samstag früher spielen, Premiere-Chef Kofler ließe sie am liebsten erst am Tag nach den Spielen zeigen. Wie zufrieden sind Sie mit der Zusammenarbeit.

Hans Mahr: Das funktioniert im Moment ganz gut. Die Red-Zac-Liga wünscht sich, dass ATV spätestens um 23.15 Uhr mit der Berichterstattung darüber beginnt. Darüber gibt es Gespräche.

STANDARD: Nächstes Jahr wird wieder ein ORF-Generaldirektor gewählt. Können Sie jemand empfehlen?

Hans Mahr: Würde ich jemand empfehlen, wäre der stigmatisiert. Das ist eine österreichische Entscheidung. Nur eines sollte man bedenken: Die Zeit der parteipolitischen Entscheidungen im Medienwesen sollte endlich vorbei sein. Daher wäre es angebracht, wenn die Parteien miteinander auf die Suche gehen nach jemandem, der tatsächlich die Zukunftschancen des ORF wahren kann.

STANDARD: Zum Beispiel Hans Mahr?

Hans Mahr: Ich habe gerade einen längerfristigen Vertrag bei Premiere unterschrieben ...

STANDARD: ... über drei Jahre?

Hans Mahr: Mindestens drei Jahre. Daher komme ich für diesen Job auch nicht infrage. Die faszinierende Aufgabe bei Premiere wird mich so auslasten, dass ich mir auch keine Gedanken mache, was mit dem ORF ist. Natürlich könnte man auch sagen, interessiert mich nicht und wenn’s noch schrecklicher wird, ist es noch besser für uns. Aber ich bin noch immer Österreicher, identifiziere mich in hohem Ausmaß mit meiner Heimat. Daher würde ich dem ORF schon wünschen, dass er endlich einmal aus diesem parteipolitischen Streit herauskommt und dass man eine Führung findet, die unbestritten ist, auch politisch unbestritten.

STANDARD: Die Situation des ORF wäre doch eine Gelegenheit für Premiere und seinen zuständigen Vorstand Hans Mahr, die Ziele in Österreich höher zu stecken.

Hans Mahr: Man soll niemand unterschätzen. Der ORF wurde schon so oft krank- und totgejammert und lebt noch immer ganz gut, vielleicht sogar zu gut. Daher werde ich den Teufel tun und den ORF verbal beerdigen. Er hat eine Finanzierungsgrundlage wie kein anderes öffentlich-rechtliches Unternehmen in Europa, mit zwei TV-Kanälen, mit Gebühren und Werbung rund um die Uhr. Außerdem gibt es beim ORF auch hervorragende Mitarbeiter. Die hätten sich eine parteipolitisch unabhängige Führung verdient.

STANDARD: Aber privatisieren wollten sie Teile des ORF schon länger.

Hans Mahr: Seit der ORF auf Betreiben von Betriebsratschef Heinz Fiedler hunderte Mitarbeiter anstellt, ist der bald nicht mehr privatisierbar.

STANDARD: Sie waren lange Journalist und später Geschäftsführer der "Krone". Sehen Sie Anzeichen für Versöhnung der Gesellschafter Dichand und WAZ-Gruppe?

Hans Mahr: Dichand is still going strong und wird noch einige Zeit die Geschicke der Kronen Zeitung lenken. Ich hoffe nach wie vor, dass die Gesellschafter zu einem Ausgleich finden. Ich war zu lange selbst an Bord, als dass ich mir nicht in meinem Herzen wünschte, dass die "Krone" wieder mal so stark auftreten kann, wie sie ist. Derzeit ist die "Krone" etwas geschwächt durch die Querelen der Gesellschafter. Dass sich die "Krone" unter diesen Voraussetzungen noch immer so stark hält, zeigt, dass da ganz hervorragende Leute am Werk sind.

STANDARD: Sehen Sie Anzeichen für einen solchen Ausgleich?

Hans Mahr: Im Moment herrscht eine Verschnaufpause. Wenn diese Verschnaufpause auch als Denkpause genutzt wird und man Ideen hat, wie man wieder zueinander kommt, dann wäre das sehr positiv.

STANDARD: Das heißt aber: derzeit keine Anzeichen dafür?

Hans Mahr: Ich sehe im Moment keine Anzeichen dafür, aber ich stehe ja nicht in täglichem Kontakt.