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Gerhard Wasserbauer

Gerhard Wasserbauer

Am Anfang der Goldschlagstraße, dort, wo vom Trieb Getriebene ab dem frühen Nachmittag Intimität erstehen wollen und damit für eine hormongesteuerte Form des Stop-and-go-Verkehrs in einer sonst verkehrsarmen Gegend sorgen, würde man kaum mit einem spannenden Restaurant rechnen. Tatsächlich ragt die Konoba Pescaria wie ein Leuchtturm aus der trüben Suppe der Automatenkasinos, "Hier spielt man Darts"-Espressos und Schnitzel-Fritzen der Umgebung. In der liebevoll, aber nicht ganz geschmacksicher hergerichteten Gastwirtschaft wird seit ein paar Monaten dalmatinisch gekocht und mit entspannter Herzlichkeit serviert, dass einem ganz warm wird im Magen.

Auf der Speisekarte wird sprachlich noch experimentiert, der Qualität der Küche tut dies keinen Abbruch. So muss man sich vor dem "Weichtiersalat" nicht fürchten - die saftigen Stücke vom Tintenfisch sind, ganz klassisch, mit Petersil, wenig Knoblauch, Zitronensaft und Olivenöl angemacht und bieten deutlich mehr Biss und Geschmack als der oft allzu formstabile Durchschnitt.

Wirklich grandios ist der dalmatinische Rohschinken, den Betreiber Njegoslav Kunovac (bis vor einem Jahr noch Wirt in Dubrovnik) selbst importiert: zart, wild rauchig, mit tollem Schmelz und der unnachahmlichen Power von anderthalb Jahren Reifezeit. Dazu bäckt Frau Kunovac gleich drei verschiedene, wunderbare Brote - aus Weizen, Vollkorn und Mais - die, auch wenn sie einmal nicht ganz krachfrisch sind, jedes noch so resche Fantasieweckerl aus der Convenience-Ecke mit links verblasen.

Wer glaubt, dass sich hinter den "Schnecken aus Istrien mit Scampi und Hühnerfleisch" eine spannende Kombo von Wirbellosen aus Land und Meer mit Huhn verbirgt, liegt falsch: Sie entpuppen sich als geringelte Telefonschnur-Pasta, richtig al dente, mit einer etwas salz- lastigen, ansonsten aber tadellosen Oberssauce. Von Weinbergschnecken freilich keine Spur, aber immerhin echte, ausgelöste Scampi und saftige Hendlstücke. Alles andere als fad, ein bissl sehr obers-schmierig halt.

Die "Fritura Mista" mit aromatischen kleinen Garnelen und Ährenfischen ist tadellos frisch. Den knusprigen Fischlein muss man freilich fest ins Auge schauen können, bevor man ihnen den Kopf abbeißt - und da rebellieren bei manchen die Bambi-Instinkte.

Als "Meter" der dalmatinischen Küche aber dürfen die Scampi "buzara" gelten, schon wieder ganze Tierchen, wenn auch solche, die bei (fast) jedem nur helle Freude aufkommen lassen. In der "Konoba Pescaria" kommen sie, wie sich's gehört, in einer brodelnden Aroma-Attacke aus scharf reduziertem Weißwein, Petersil, Knoblauch und herrlich fleischigen Tomaten daher, betören durch totale Frische und wächsernen Biss. Um runde 50 Euro pro Kilo sind die zangenbewehrten Edelzwicker zwar nicht geschenkt, im Vergleich zur Konkurrenz aber richtig freundlich kalkuliert.

Zum selben Kilopreis gibt es auch die diversen Wildfangfische des adriatischen Spektrums, von Drachenkopf bis Zahnbrasse. Letztere kam in einer monströsen Sechs-Kilo-Version auf den Nebentisch, im Salzmantel gebacken, von prachtvoll festem Fleisch und hemmungsloser Saftigkeit, mehr als reichlich für die Zwölf-Personen-Tafel, die sich zum Geburtstag des Kochs eingefunden hatte. Die wenigen Gäste, die zu später Stunde sonst noch im Wirtshaus saßen, wurden kurzerhand zu Konzelebranten erhoben - und kamen in den seltenen Genuss eines wahrhaft kapitalen Fisches, gewürzt mit nichts als dem Salz des Meeres, in dem er schwamm.

Dreimal die Woche kommt der Fang aus Zadar angefahren, deshalb traut Kunovac sich zu, bei Vorbestellung ähnlich große Fische in der Goldschlagstraße anlanden zu können. Wir dürfen es uns wünschen. (Severin Corti/Der Standard/rondo/16/9/2005)