Geschlechterpolitik
China heute: Mit zwölf verkauft, mit 13 Mutter, mit 15 am Titelblatt
Handel mit Mädchen und jungen Frauen blüht - Rigide Familienpolitik hat Entführungen zur Folge
Peking - Entführt, verschwunden und verkauft: Mit zwölf Jahren wurde Kang Ming'e im Norden Chinas ihren Eltern entrissen. Ein Bauer zahlte umgerechnet 245 Euro (3.377 S) für sie. Sie musste ihn heiraten. Ein Jahr später bekam sie ein Kind. Erst nach zwei Jahren befreite die Polizei das Mädchen aus seinem Martyrium. Auf die inzwischen 15-Jährige haben sich jetzt die chinesischen Medien gestürzt.
Auf vielen Titelblättern ist Kang Ming'e zu sehen - ein schwarzer Balken vor den Augen soll sie vor dem Wiedererkennen schützen. Ihre dramatische Geschichte steht für Schicksale, die in der Volksrepublik jedes Jahr Abertausende von Mädchen, und manchmal auch Buben, über sich ergehen lassen müssen.
Heute blüht der illegale Frauen- und Kinderhandel wieder, dem Chinas Kommunisten bereits in den fünfziger Jahren den Garaus gemacht haben wollten. Anfang April wurde eine große Polizeiaktion gegen die Verschleppung der jungen Frauen und Kinder gestartet, die drei Monate laufen soll. Die offizielle Bilanz, die in den staatlichen Zeitungen veröffentlicht wurde, spricht Bände: 1.083 Frauen und 504 Kinder wurden in der Provinz Guangdong den Klauen ihrer Entführer entrissen; 1.600 Frauen wurden in Fujian gerettet, 973 Frauen und 59 Kinder in der Provinz Anhui, und so wird die Liste fortgesetzt. Landesweit wurden im vergangenen Jahr den amtlichen Statistiken zufolge mehr als 7.600 Frauen und 1.800 Kinder entführt und verkauft.
Ein ähnliches Schicksal wie Kang Ming'e erlitt auch Yu Mei. 13 Jahre war sie erst alt, als sie von einem Freund ihres Vaters gezwungen wurde, einen 19-Jährigen zu heiraten. Die beiden Mädchen gehören wie die Mehrzahl der Opfer zu den Millionen von Familien, die auf der Suche nach Arbeit und in der Hoffnung ihrer Misere zu entrinnen, durch Chinas Provinzen ziehen. In einem Land, in dem der Graben zwischen Arm und Reich immer tiefer wird, stehen sie auf der untersten Sprosse der sozialen Leiter und sind damit am verletzbarsten.
Als im Jänner in der Provinz Guizhou 42 entführte Kinder entdeckt wurden, liefen Hunderte Eltern Sturm. Das Telefon im Waisenhaus stand nicht mehr still, Väter und Mütter bezeugten, es seien ihre Kinder, die gefunden wurden. Die Behörden mussten Gentests veranlassen, um jeglichen Fehler bei der Übergabe zu vermeiden.
Oft jedoch wagen es die Familien nicht, die Polizei zu Hilfe zu rufen, wenn eine Tochter entführt wird. Vor allem dann, wenn das entführte Mädchen ein gemäß der staatlichen Familienplanung "unerlaubtes" Kind ist. Die chinesische Politik der Familienkontrolle erlaubt Paaren in den Städten ein Kind und auf dem Land zwei Kinder, wenn das Erstgeborene ein Mädchen war.
Diese rigide Haltung trägt zum blühenden Kinderhandel bei. Die jungen Mädchen haben fast alle das gleiche Schicksal: Sie werden an arme Bauern verkauft, die nicht in der Lage sind, den für sie ruinösen Brautpreis zu entrichten. Dem Kinderhandel fallen aber auch kleine Buben zum Opfer: Auf diese Weise kommt manche Familie zu einem Stammhalter.
Zwischen umgerechnet 123 Euro (1.689 S) und der zehnfachen Summe zahlen die Käufer je nach Provinz für ein Mädchen. Wenn sie erwischt werden, drohen den Händlern lange Haftstrafen oder sogar die Todesstrafe. Die Käufer kommen meist ungeschoren davon.
(AFP)