Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/KNOSOWSKI
Wahltage sind Ausnahmen im Fernsehalltag. Damit sind jetzt nicht die fehlenden Alternativangebote gemeint, die eine Kollegin beklagte. Hier spricht ein Bekenner. Bush gegen Gore kostete mich eine schlaflose Nacht vor einem Duisburger Hotelflimmerkasten. Am nächsten Tag war die Welt in blaue und rote Rechtecke eingeteilt.

Die Wahl in Deutschland folgte einer ähnlichen Dramaturgie. Mit der ersten Hochrechnung um sechs war die Ausgangslage klar, aber kein Sieger in Sicht. Es gab Gewinner, die enttäuscht waren, Verlierer, die sich freuten, und Guido Westerwelle, der vor lauter Beifall nicht zu Wort kam. Die Kamera harrte trotzdem bei ihm aus. Bis Anne Will meinte, der sagt heute nichts mehr.

Eigentlich hat keiner viel gesagt. Gespannt wechselte man die Kanäle, um vielleicht doch irgendeinen Funktionär bei der Aussage zu ertappen, welche Koalition er bevorzuge. Gerade weil das nicht passierte, blieb man dran. Spätestens nach der Elefantenrunde war klar, dass es in dieser Nacht kein Bekenntnis zu einer Koalition geben würde. Was die Neugier wiederum auf neuere Hochrechnungen lenkte: Vielleicht entscheiden ja die.

Bei Filmen spricht man von einem Cliffhanger, wenn der Ausgang einer Geschichte am Ende offen bleibt: für Wahlen eher unvorteilhaft. Für Wahlen im Fernsehen, zu dessen erster

Aufgabe es gehört, Aufmerksamkeit zu halten, ist es aber perfekt: Das Ende rückte wie der Horizont immer weiter zurück. Und jedes Mal, wenn die Balken kommen, ist es wieder kurz nach sechs. (kam/DER STANDARD; Printausgabe, 20.9.2005)