Die populäre iranische Zeitung "Sobh-e Emrus" konnte am Dienstag erscheinen, während die Sperre für 13 andere Blätter Bestand hatte. Die Justiz hat bei dem Verbot reformorientierter Zeitungen und Zeitschriften eine Ausnahme gemacht. "Sobh-e Emrus" machte in der Schlagzeile die "machthungrige Mafia" für die Krise der Pressefreiheit verantwortlich. Der Herausgeber der Zeitung, Said Hadschdscharian, war im vergangenen Monat bei einem Anschlag schwer verletzt worden. Am Dienstag begann in Teheran der Prozess gegen die Attentäter. Am Wochenende hat sich der Kampf um die liberale Presse zugespitzt. Während die von Konservativen beherrschte Justiz am Montag die Schließung von nahezu allen liberalen Blättern anordnete, verteidigte Staatspräsident Mohammed Khatami die Meinungsfreiheit. Auch zwei leitende Mitarbeiter liberaler Blätter waren verhaftet worden. Zur Begründung des Verbots von zehn Tageszeitungen, drei Wochenblättern und einer Monatszeitschrift teilte das Justizministerium mit, die Publikationen hätten "den Islam und die religiösen Elemente der islamischen Revolution herabgesetzt". Sie hätten immer wieder Material veröffentlicht, das sich gegen die Verfassung, das Pressegesetz und die nationale Einheit und Sicherheit richtete. Die USA riefen die iranische Führung zur Achtung der Presse- und Meinungsfreiheit auf. US-Außenamtssprecher James Rubin sagte in Washington, gerade das Wachstum einer freien Presse habe zu positiven Veränderungen in der islamischen Republik beigetragen. Die Vize-Präsidentin des deutschen PEN-Clubs, Elsbeth Wolffheim, hat in einem offenen Brief an Chatami die Freilassung der am Wochenende inhaftierten Journalisten und die Wiederzulassung der Zeitungen gefordert. Heute demonstrierten bereits mehrere tausend Studenten gegen die Knebelung der Pressefreiheit. Der Protest war nach Angaben von Augenzeugen friedlich. Es habe Aufrufe zu weiteren Kundgebungen gegeben. Im Juli war es bei Demonstrationen gegen die Schließung der reformorientierten Zeitung "Salam" zu den schwersten Unruhen seit der Islamischen Revolution von 1979 gekommen. Die Justiz hat auch dem Reformpolitiker Mohammed-Reza Khatami, der ebenfalls eine Zeitung herausgibt, gedroht. In einem am Mittwoch im Rundfunk verlesenen Brief wirft ein Richter Khatami, dem Bruder des Präsidenten Mohammed Khatami, vor, ohne Erlaubnis das Layout seiner Zeitung "Mosharekat" geändert zu haben. Das Gericht werde "angemessene Maßnahmen" treffen, sollte Khatami diese Veränderungen nicht wieder rückgängig machen. "Mosharekat" ist eine der wenigen Zeitungen, die von der Zensuraktion der vergangenen Tage unbehelligt geblieben war. "Mosharekat" ist das Organ der gleichnamigen Patei des Politikers, die bei den Parlamentswahlen im Februar als klarer Sieger hervorgegangen war. (red/3SAT)