In jedem Horrorfilm kommt die Stelle, an der sich die Heldinnen und Helden vorzeitig in Sicherheit wähnen. Dabei haben sie lediglich einen ersten Schreck überstanden. Sie glauben den Spuk überwunden, trinken entspannt Limo oder Bier und rufen bei Oma an. Dann kommt es schlimm. Neuerlich nähert sich der dicke Arm des Bösen, langsam, bereit zuzudrücken - oder so.

Es geht ums Museumsquartier. Es geht, genauer noch, ums Depot und - um Kulturpolitik. Jahrelang haben Schmutz und Lärm einer Baustelle das Leben zum täglichen Ärgernis gemacht, und nur wenige Institutionen haben sich neben dem Depot diese Zores angetan. Ohne die, ohne Kindermuseum, Architektur Zentrum, Public Netbase und basis wien gäbe es das Museumsquartier bis heute nur als Story jahrzehntelanger, unheilvoller Kulturpolitik, deren gutes Ende zwar zweckoptimistisch beschworen wird, aber keineswegs feststeht.

Trotz harter Zeiten ist das 1994 gegründete Depot bei konstantem jährlichen Budget nicht zugrunde gegangen. Es ist nicht einmal schwächer geworden, was die Veranstaltungen und deren Besuch betrifft, im Gegenteil: 25.000 Besucher waren es im letzten Jahr, die von kulturpolitischen Diskussionen und wissenschaftlichen Vorträgen angezogen wurden. Es ist ein Raum der modernen Bürgergesellschaft geworden, wie ihn sich viele wünschen, im In- und im Ausland.

Jetzt, dank Baggern und Kränen, ist ein Ende des Chaos absehbar. Bald wird alles gut. Dann können die Besucher des Depots wieder richtige Toiletten benutzen, brauchen keine Gummistiefel mehr und können sicher sein, dass keine der 170 Veranstaltungen im Jahr bei Kerzenlicht und Motorenlärm stattfindet. Und doch kommt es schlimm.

Als gäbe es nur irgendeinen Grund, die Arbeit des Depot-Teams infrage zu stellen, wird die Miete mit 30. April 2001 aufgekündigt, und das heißt: Wenn der Kulturbezirk fertig gestellt ist, soll das Depot raus aus dem Staatsratshof. Es hat seine Schuldigkeit getan. Gemessen am umworbenen Bustourismus ist es freilich nur eine kleine Institution. Doch bahnt sich mit seiner Kündigung der Kahlschlag einer konservativen Kulturvorstellung beharrlich seinen Weg. Es ist geradezu gespenstisch, wie alles, was dem Museumsquartier Leben einhauchen hätte können, verbannt wurde und wird. Alles, wo Kunst auf ihren Zusammenhang mit dem Leben vor den Mauern des Kulturareals hin befragt wird, wo nicht nur ein Kommen, Gehen und Shoppen herrscht, sondern ein Mitdenken und -diskutieren.

International beachtet

Natürlich. Das Depot ist ein Ergebnis des Bundeskuratorenmodells. Und das Bundeskuratorenmodell war ein Kind der SP-Kulturpolitik. Aber mittlerweile ist das Depot ein autonomer Verein, mit einem vierköpfigen Team, einem Programmbeirat und einem Vorstand, dem auch wir angehören, der sich ins Programm aber nicht einmischt. Dass es Interesse am Depot auch international gibt und dass es mittlerweile sogar ein Aushängeschild jenseits von Mozart und Klimt geworden ist, beweisen nicht nur die internationalen Zeitungsartikel.

Vor allem wird es durch die vielen Referenten bewiesen, die gerne und auch für wenig Geld ins Depot kommen, weil es ihrer Reputation nutzt, hier vorgetragen zu haben. Sie wissen, was das für eine Institution ist. Nur ein paar ÖVP-Politiker wissen es noch nicht, praktizieren, was sie den Sozialdemokraten in der Kultur immer vorgeworfen haben, und schieben parteipolitische Interessen vor die Interessen der Kulturschaffenden und der Rezipierenden. Die allerdings haben nichts mehr übrig für alte VP-SP-Querelen. Ihnen geht es um Kulturpolitik, unabhängig von den Parteien.

Und worum geht es Wolfgang Waldner, dem Geschäftsführer der Museums Errichtungs- und Betriebsgesellschaft? Er möchte auch etwas gründen, warum nicht. Seine Erfindung ist das "Quartier 21", es soll "Experimentierfeld oder Zukunftslabor" sein mit "einer gewissen Dichtheit, Linie und künstlerischen Qualität" (Zitat Waldner). Weil so etwas aber nicht am Reißbrett konstruiert werden kann und schon gar nicht zur Eröffnung für das Jahr 2001, will er schnell die drei verdienten Haudegen basis, Depot und Public Netbase unter diesen neuen "Umbrella" nehmen.

Keiner der drei angesprochenen Vereine fühlt sich indes vom "Quartier 21" in irgendeiner Weise angetan. Weder weiß irgendjemand, was das werden soll, noch welchen Grund es gibt, etwas zu konstruieren, was ohnehin schon besteht. Der "Dichtheit, Linie und künstlerischen Qualität", die Waldner von oben verordnen will, verdankt das Depot seit Jahren seinen Ruf. Es hat sich ein kantiges, kritisches Profil erarbeitet, für das eine Vereinnahmung unter ein stromlinienförmiges Marketingkonzept Gift wäre.

Keine Finanzierung

Nun gibt es, ein Jahr vor Eröffnung, zwar kein schriftliches Konzept für die freien Räume des Museumsquartiers, dafür aber Kündigungen. Und es gibt eine unmissverständliche Junktimierung mit einer zukünftigen Finanzierung durch Waldners Parteifreund Franz Morak. Denn die Kündigung hat zwei vorgeschobene Begründungen: Baumaßnahmen, die für die Depot-Räume im Fischer-von-Erlach-Trakt gar nicht notwendig sind, und die jährliche Finanzierung des Depot, die ausbleiben könnte, wenn das soziale und kulturelle Kapital nicht in den Klingelbeutel der konservativen Kulturpriester eingezahlt wird. Wir wollen es nicht einzahlen. Wenn das Depot als autonome Institution der Kunstpolitik keine dreieinhalb Millionen pro Jahr wert ist, geht der Horrorfilm schlecht aus.

Stella Rollig, Kulturpublizistin, und Wolfgang Zinggl, Mitglied der Künstlergruppe "Wochenklausur", sind Ex-Bundeskuratoren.