Wien - Die fünf Vorschläge für eine Lösung des Studentenansturms aus Deutschland an den österreichischen Medizin-Unis von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (V) stoßen teilweise auf Skepsis bei Verfassungsrechtlern. So wird vor allem die "Safe guard"-Klausel mit einer Österreicher-Quote von 75 Prozent als problematisch eingestuft. Verfassungsrechtler Heinz Mayer erklärte in der "Tiroler Tageszeitung", Quoten beim Uni-Zugang seien niemals EU-konform. Und der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger meinte auf Anfrage der APA, eine "Quotenregelung ist sicher etwas, was mit dem Geist des Gemeinschaftsrechts nur schwer vereinbar ist".

Mayer erklärte, das EuGH-Urteil sei zwar kritikwürdig, "es ist aber nun einmal da". Und was die Quoten betreffe, "man nennt es zwar anders, aber Quoten und alles, was letztendlich eine Diskriminierung bedeutet, ist niemals EU-konform". Man könne ins Treffen führen, dass der Ansturm deutscher Studenten das Bildungssystem beeinträchtige und das auch mit Zahlen belege. Nicht argumentierbar sei aber, dass fachlich schlechtere heimische Studenten studieren dürfen, möglicherweise bessere deutsche aber nicht. Österreicher könnten ja auch im Ausland an die Unis gehen. Mayer, dem das Thema "wirklich schon auf die Nerven geht", schlägt deshalb eine einsemestrige Studieneingangsphase vor, um das Problem zu lösen.

Anreiz

Öhlinger verweist auch auf andere Bedenken bei einer Quotenregelung. "Gleichzeitig könnte die Quote vielleicht höher angesetzt werden als in vielen Studienrichtungen überhaupt erforderlich wäre. Das könnte geradezu ein Anreiz sein, zumindest die Quote durch ausländische Studenten voll auszufüllen". Er hielte es jedenfalls für "absolut vertretbar zu sagen, jene Zulassungen, die ein Staat für ein Studium festgelegt hat, die sollen überall in der ganzen Union gelten. Eine Art Ursprungsland-Prinzip".

"Wunschplan"

Eine langfristige generelle EU-Regelung sieht Öhlinger eher als "Wunschplan". Was den Punkt Ausgleichszahlungen der EU-Länder betrifft, meint der Verfassungsrechtler, dies wäre sehr aufwändig. "In Wahrheit geht es ja um ein Problem, das nur wenige Staaten trifft. Warum sollen die Spanier Ausgleichszahlungen für ihre Studenten in Frankreich zahlen und umgekehrt. Das ist ja kein ernstes Problem für diese Staaten, aber wäre aufwändig zu ermitteln. Es ist ein typisches Problem in Staaten mit gemeinsamer Sprache - das gibt es außer in Österreich vielleicht noch in Belgien und Frankreich".

Beste Lösung hängt von inhaltlicher Ausgestaltung ab

Welcher der fünf gestern, Donnerstag, von Ministerin Gehrer präsentierten Vorschläge für eine Lösung des Studentenansturms aus Deutschland der beste ist, lässt sich nach Ansicht des Europarechtlers der Uni Innsbruck, Walter Obwexer, derzeit seriöserweise nicht sagen. "Das hängt von der inhaltlichen Ausgestaltung des jeweiligen Vorschlags ab", sagte Obwexer am Freitag gegenüber der APA. Die vom Ministerium eingesetzte Arbeitsgruppe, der Obwexer angehört, hat die Aufgabe, die Lösungsvarianten inhaltlich auszugestalten und somit weitestgehend EU-konform zu machen.

Obwexer erinnert an die Intention der EU, dass Staatsbürger aus EU-Ländern in anderen Unionsstaaten die Möglichkeit für ein Studium haben. "Diese Mobilität ist das, was Europa ausmacht", so der Experte. Dies bedeute aber nicht, dass Bürger eines Staates gewissen Restriktionen ihres Landes entfliehen, "das kann nicht Sinn und Zweck dieser Mobilität sein".

"Unproblematische Lösungen"

"EU-rechtlich völlig unproblematisch" und nur von politischen Verhandlungen abhängig - so wertet Obwexer die Vorschläge für Finanzausgleichszahlungen bzw. eine europaweite Regelung für den Studienzugang. Ausgleichszahlungen seien entweder eine Sache zwischen den betroffenen Staaten, etwa zwischen Österreich und Deutschland, oder zwischen allen EU-Ländern. Eine europaweite Regelung wäre nach Meinung des Experten in Form einer EU-Richtlinie vorstellbar, die zum Ziel hat, Diskriminierungen bei Studenten zu vermeiden. Darin könnten dann auch Schutzmaßnahmen erlaubt werden, wenn der Zustrom ein bestimmtes Ausmaß übersteigt, wobei der Prozentsatz zu verhandeln wäre. Rechtlich wären nach Ansicht Obwexers beide Maßnahmen machbar, fraglich sei, ob man die dafür erforderliche Mehrheit bekomme.

In den anderen drei Vorschlägen Gehrers würde nur Österreich handeln, müsste sie aber so ausgestalten, dass sie vom EuGH als rechtskonform angesehen werden. Die sogenannte Safeguard-Klausel wäre laut Obwexer EU-rechtlich am schwersten zu realisieren, müsste sie doch im Primärrecht der EU verankert werden - was Zeit koste und politisch wohl nur schwer durchsetzbar wäre. "Nicht ausgeschlossen, aber schwer" wäre auch eine sekundärrechtliche Verankerung, etwa im Universitätsgesetz. Dann dürfe das aber sicher nicht auf die Staatsbürgerschaft abzielen.

Wohnsitz

An den Wohnsitz der Studienwerber anzuknüpfen, ist nach Ansicht Obwexers rechtzufertigen, das zeige die EuGH-Rechtsprechung. So knüpfen etwa die Briten die Gewährung der Studienbeihilfe an einen dreijährigen Wohnsitz in Großbritannien - was vom EuGH heuer gebilligt wurde. Bei einer solchen Regelung müsse man aber aufpassen, dass man nicht über das Ziel hinausschieße, fünf Jahre Wohnsitz in Österreich sind für Obwexer sicher zu lange.

Der Vorschlag, auf das Herkunftslandprinzip abzuzielen, bedeute nicht, dass man das selbe mache wie bisher. Bisher habe die Anforderung, dass man in Österreich nur studieren darf, wenn man in seinem Heimatland einen Studienplatz hat, für alle Studien gegolten. Obwexer meint aber, dass man dies nur für jene Studien einführen könnte, wo es einen erhöhten Studentenzustrom gibt und wo man an Kapazitätsgrenzen stoße. "Das wäre ein wesentlicher Unterschied zu bisher", so Obwexer. (APA/red)