Cartoon: Oliver Schopf, austrianillustration.com

Cartoon: Oliver Schopf
Das EG-Beihilfenrecht erlaubt die Einführung neuer (steuerlicher) Begünstigungen nur nach Anzeige an die Kommission zur Genehmigung. Abgesichert wird diese Anzeigepflicht durch ein so genanntes EG-Durchführungsverbot, das den österreichischen Behörden und Gerichten direkt untersagt, unangemeldete Beihilfen(regelungen) durchzuführen. Dennoch vergebene Beihilfen können unter gewissen Voraussetzungen rückgefordert werden.

In jüngerer Vergangenheit hat das Durchführungsverbot heimischen Abgabepflichtigen schon so manche böse Überraschung beschert - wie der Fall eines Tiroler Zahnarztes zeigt, der mit der Finanzverwaltung über umsatzsteuerliche Berechnungsdetails stritt.

Von der Berufungsbehörde musste er dann allerdings erfahren, dass der für ihn günstige gesetzliche Verzicht auf Vorsteuerkorrekturen mangels Anzeige des Gesetzgebers an die Kommission gar nicht angewendet werden durfte.

Ende Juni hat der Verwaltungsgerichtshof nach Befassung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache "Heiser" entschieden, dass dieses Anwendeverbot auch dann gilt, wenn die unangemeldete Beihilferegelung im konkreten Fall nur geringfügig genutzt wurde und für sich allein gar keine erhebliche Wettbewerbsverfälschung bewirken konnte.

Energieabgabenvergütung

Ein anderer Steuerfall wurde am 14. September in Luxemburg verhandelt. Im Mittelpunkt stand dabei bereits zum zweiten Mal die österreichische Energieabgabenvergütung. Sie begrenzte die Belastung mit Energieabgaben über ein Vergütungssystem ursprünglich nur für Produktionsbetriebe und schloss Dienstleistungsbetriebe aus. Im Jahre 2001 erklärte der EuGH sie daher - auf Anfrage des VfGH - in der Rechtssache "Adria Wien Pipeline" zur unzulässigen Beihilfe.

Zur Freude österreichischer Dienstleistungsbetriebe zogen die Verfassungsrichter daraus eine kreative Schlussfolgerung. Statt für die Verweigerung der unzulässigen Beihilfe an die gesetzlich berechtigten Produktionsbetriebe sprachen sie sich für die Ausdehnung der Vergütungsregelung aus. Dadurch würden nämlich ebenfalls keine Unternehmer mehr gegenüber anderen "begünstigt" und dem EG-Durchführungsverbot somit Rechnung getragen.

Im Nachhinein

In der Folge genehmigte die Kommission allerdings die österreichische Regelung im Nachhinein, sodass es letztlich nicht mehr zur Ausdehnung kam. Dies erboste die neuerlich leer ausgehenden energieintensiven Dienstleister und führte auf Anregung zweier Seilbahnunternehmen und eines Ölleitungsbetreibers zur jetzigen zweiten Anfrage nach Luxemburg.

In dieser Rechtssache "Transalpine Ölleitung" muss der EuGH nun die Zulässigkeit nachträglicher Beihilfegenehmigungen durch die Kommission prüfen. Für sie spricht, dass Beihilfenelemente in komplexen nationalen Regelungswerken oft nur schwer erkennbar sind. Ein Ausweg aus überzogenen Rückabwicklungen kann daher notwendig sein. Die Mitgliedstaaten können dabei aber mit einer nachträglichen Kommissionsgenehmigung niemals fix rechnen.

Deshalb muss man nicht fürchten, dass die Staaten wegen dieser "Sanierungsmöglichkeit" Anzeigen geplanter Beihilfemaßnahmen künftig ganz unterlassen. Der EuGH sollte das laufende Verfahren freilich auch gleich für eine Stellungnahme zur ungewöhnlichen Ausdehnungsthese des VfGH nutzen. Ob sie mit dem EG-Beihilfenrecht wirklich in Einklang steht, kann nämlich ernstlich bezweifelt werden.

Spannende Grundsatzfragen

Es zeigt sich: In der Anwendung des EG-Beihilfenrechts sind noch viele spannende Grundsatzfragen offen, was erhebliche Rechtsunsicherheit erzeugt. Positiv ist daher das rasche Aufgreifen offener Fragen durch die österreichischen Gerichte. Mit einem Urteil zu "Transalpine Ölleitung" ist erst 2006 zu rechnen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 04.10.2005)