Wien – Zu Hunderten standen sie Schlange, campierten oder kreuzten Multiple-Choice-Bögen um die Wette an: Österreicher vs. Deutsche hieß es polemisch. Doch wie geht es mit Österreichs Unis nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes weiter? Beim Hochschulpolitischen Forum von Standard , IFF – Fakultät für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Uni Klagenfurt und Ö1 diskutierten Mittwochabend Experten unter der Moderation von Standard -Redakteurin Lisa Nimmervoll im ORF KulturCafé über "Hochschulzugang im geeinten Europa: Beschränkung statt Öffnung?".

"Das alles ist hausgemacht. Da haben die bösen Piefkes und der böse EuGH keine Schuld", sagte Hans Pechar, Leiter der IFF-Abteilung Hochschulforschung in Wien. Das "scheinbar wunderbare, freie Hochschulsystem" habe just am Tag des EuGH-Urteils den letzten Platz bei einer Studie über die "Zugänglichkeit" des Unisystems errungen.

Dieses Paradoxon warf auch bei Rektorenchef Christoph Badelt von der WU Wien und ÖH-Vorsitzender Rosa Nentwich-Bouchal (Gras) viele Fragen auf. Es sei eine "völlig verrückte Hierarchie", kritisierte Badelt, dass alle Bildungseinrichtungen unterhalb der Uni "selbstverständlich" Zugangsbeschränkungen hätten, aber "ganz oben im Bildungssystem ist plötzlich alles offen". Auf sein Plädoyer für eine Selektion in Form einer Studieneingangsphase reagierte Nentwich-Bouchal zunächst kategorisch ablehnend. "Der Zugang zu den Unis ist nur aufgrund eines einzigen Verfahrens möglich ist, nämlich der Selbstentscheidung."

"Studieneingangsphasen ver^längern halt die Auswahlphase auf ein Jahr. Das könnte man genauso gut vorverlegen", entmystifizierte Pechar den vermeintlich offenen Unizugang. Viel zweifelhafter sei es, nach der Volksschule zu selektieren. "Leider Gottes stellen wir diese Frage schon im Alter von zehn Jahren. Mit 18 darf man sie stellen."

Ein absolutes Tabu für Nentwich-Bouchal: "Wenn wir wissen, dass die Selektion in der Schule falsch ist, wa^rum ist dieses Prinzip an der Hochschule richtig?"

Eine rhetorische Frage für WU-Chef Badelt, der sich mit einem Ansturm an Studierenden arrangieren muss. "Wenn das nicht verrückt ist, dass man sich fürchten muss, so erfolgreich zu sein, dass zu viele Leute kommen?! Darauf weiß ich auch keine Antwort. Es sei denn, Sie sagen, okay, es gibt eine bestimmte Platzanzahl."

Selbstverwirklichungstrieb als einzige Studienberechtigung sei zu wenig, wandte er sich an die ÖH-Chefin: "Eine bestimmte Generation darf sich selbst verwirklichen, und das wird finanziert von der Billa-Verkäuferin." Nentwich- Bouchals Konter: "Dann ändern Sie das Steuersystem, aber nicht den Zugang." (DER STANDARD, Printausgabe, 7.10.2005)