Hier saß er nun, der reiche Tor. Und war viel klüger als zuvor. Sven-Göran Eriksson ist einer der vifsten Fußballtrainer der Welt, aber die Engländer sind nicht sicher, ob er auch ein richtiger Chef ist. Die nervöse, unsouveräne Vorstellung seines Teams gegen Österreich kommentierte er mit Vokabeln, die im Ausredenmusterbuch von Österreichs Teamchefs stehen. "Brillante Verteidigung mit zehn Mann", "nicht auseinander gefallen", "wir können besser spielen und wir werden besser spielen".

Englands Team lässt zwei gegensätzliche Interpretationen zu: Eine zählt die jeweils individuelle Klasse der Herren Lampard, Gerrard, Beckham, Owen, Terry, Joe Cole zusammen und fragt sich, warum die Mannschaft seit etlichen Jahren nichts erreicht. Die andere Sicht weist auf die limitierte Fußballtechnik der Herren Campbell, Ferdinand, King, Carragher, Crouch und den mediokren Tormann Robinson hin und wundert sich über die hohen Ansprüche von Fans, Verband und Medien.

Ambivalenz in der Selbstbeurteilung signalisiert Schwäche, und Schwäche gilt als Vorwurf. Um sich Vorwürfe zu ersparen, werden fantastische Schmähs erfunden. Trainer erklären sich selbst zu den Besten und sind beleidigt, wenn nicht alle anderen das auch so sehen. Kanzler behaupten, EU-Verhandlungen zu blockieren, die sie selber beschlossen haben. Hohe Politiker wollen sogar Stimmen von ganz oben hören.

Die Ausreder suchen wie Faust einen Ausweg aus dem Mauerloch der eigenen Unsicherheit, wo die Wahrheit durch die dumpfen, bunten Fenster getrübt wird. England fährt zur WM, an den heiligen Ort, wo keine Ausrede mehr gilt. Eriksson braucht rasch einen guten Geist. (DER STANDARD Printausgabe 10.10.2005)