
ORF 3, das weiß jeder hier zu Lande, gibt es nicht. "ORF 3" haben Sylvia Szely und Dietmar Schwärzler folgerichtig ihre für das Filmarchiv Austria kuratierte Schau benannt, die nunmehr mit sechs Programmen während der Viennale einen Vorgeschmack auf das gibt, was bis Ende November im Metro-Kino zu sehen (und im Buch "Spiele und Wirklichkeiten. Rund um fünfzig Jahre Fernsehspiel und Fernsehfilm in Österreich" nachzulesen) sein wird.
Eine Rückschau auf heimische Fernsehgeschichte, die sich abseits der - auch vom ORF selbst bevorzugt bemühten - kanonisierten Sternstunden bewegt und, so die Kuratoren, vor allem die "kleine Form" im Blick hat. Mit dieser Vorgabe haben sie in den Archiven des Senders Dinge zutage gefördert, die sich unter gegenwärtigen Bedingungen geradezu utopisch ausnehmen:
Peter Huemer und Peter Patzak erprobten etwa 1971 eine freie Form des Dokumentarfilms. Für "Jugendliche (Jugend in Österreich)" reisten sie überland und fertigten sechs kurze Porträts, die unkommentiert einen kleinen gesellschaftlichen Generationenquerschnitt ergeben. Je nach Protagonist rücken dabei unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund:
Friseurlehrling Uschi aus Linz lässt sich weder von ihren Vorgesetzten noch von ihren Eltern oder ihrem Freund gerne Vorschriften machen; auch im Fall eines jungen Vorarlbergers, der als technischer Zeichner arbeitet, ist die Reibung mit Autoritäten - die sich klassischerweise am divergierenden äußeren Erscheinungsbild des Buben entzünden - zentral.
Die Zukunftspläne einer gutbürgerlichen Gymnasiastin aus Salzburg erscheinen hingegen mit den Vorstellungen des Elternhauses kongruent. Ganz am Ende findet der Film dann im Lehrmädchen Elfi eine Protagonistin, die dem Ganzen eine Wendung an die Grenze zum Fiktionalen gibt: Von ihrer Lehrherrin abends im Geschäftsgebäude eingesperrt, von Nachbarinnen überwacht und denunziert, setzt sie sich mit kleinen aktionistischen Übergriffen zur Wehr. "Ich mag meinen Arbeitsplatz nicht; wie viel ich wirklich verdiene, weiß ich nicht." In der Schulbibliothek sucht sie Bücher über "Schlachten und Kriege".
Schließlich nutzt sie das Medium auch zu einer konkreten Forderung: "Ich will in ein Lehrlingsheim!" - Die Ansage eines Favoritner Gymnasiasten und SJ-Mitglieds, der vom ORF nicht nur "das amerikanische Propagandamaterial" vorgesetzt bekommen will, wirkt dagegen schon fast wie eine routinierte Phrase.
Ein anderer Bestandteil von "ORF 3" sind Beiträge zu Sendereihen. Für Vielgeliebtes Österreich etwa wurde 1976 die Schriftstellerin Elfriede Jelinek eingeladen, die Ramsau am Dachstein zu porträtieren:
Aufnahmen von Gegenden und Menschen, die, für sich genommen, diesen Zweck nach herkömmlichen Vorstellungen erfüllen würden, werden jedoch unter anderem durch einen Kommentar sowie von Jelinek selbst kontextualisiert, irritiert und mit einer "Gegengeschichte" aufgeladen, die von sozialen Hierarchien, von Besitzverhältnissen und vom Warencharakter der Landschaft handelt: "Schönere Landschaften können aus ihrer Schönheit eher Profit schlagen als weniger schöne. Diese schöne Landschaft hat das rechtzeitig erkannt."