Bild nicht mehr verfügbar.

Kiesling: "Ich kämpfe dafür, dass das Ergebnis so gut wie möglich ausfällt. Wenn es nicht reichen sollte, dann hat es nicht gereicht – aber es wäre noch schlimmer gewesen, wenn wir es gar nicht versucht hätten."

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Für das "Bündnis Zukunft Österreich" sagen die Umfragen für den Wahlabend ein enttäuschendes Ergebnis voraus, möglicherweise schafft die Partei nicht einmal den Einzug in den Gemeinderat. Im Email-Interview mit derStandard.at erklärt die Nummer Zwei des BZÖ, Andrea Kiesling, bekannt aus der TV-Serie "Kaisermühlen-Blues" und der Sendung "Schöner Lebem", warum sie in die Politik gewechselt ist, warum sie es trotz der negative Prognosen für ihre Partei wichtig findet, es zumindest versucht zu haben, distanziert sich von der "Rest-FPÖ" und dem "Allerwelts-Liberalismus" des Liberalen Forums, das sie einmal als ihre "politische Heimat" bezeichnet hat.

derStandard.at: Sie sind bekannt aus der Serie Kaisermühlen Blues und haben im ORF eine Sendung moderiert. Was hat Sie dazu motiviert, in die Politik zu gehen?

Kiesling: Was mich motiviert, das ist mein soziales Gewissen. Ich meine damit, dass man nicht die Augen verschließen darf vor den Sorgen und Nöten der Menschen. Die etablierte Politik, besonders unter so absoluten Machtverhältnissen wie in Wien, hat doch jeden Kontakt zu den Menschen längst verloren. Der Herr Häupl regiert mit seiner Absoluten im Interesse seiner Partei aber an der Bevölkerung vorbei. Für sie gibt’s nur ein paar hemdsärmelige Auftritte der Marke "Ich bin doch eh einer von Euch" und ein paar Vernügungen wie den Eislaufplatz am Rathausplatz – den sich die WienerInnen auch noch selber bezahlen müssen – und das war’s auch schon...

derStandard.at: Was ist ärger: Die Realität des Wahlkampfes in Kaisermühlen oder die Fiktion der TV-Serie Kaisermühlenblues?

Kiesling: Was soll die Frage? Ich finde es empörend und unzulässig, Menschen tendenziell so abzustempeln. Die KaisermühlenerInnen sind gerade, ehrliche und aufrechte Menschen.

derStandard.at: Meinungsforscher prophezeien dem BZÖ ein enttäuschendes Wahlergebnis, möglicherweise schafft Ihre Partei nicht einmal den Einzug in den Gemeinderat. Welches Ergebnis erwarten Sie sich?

Kiesling: Ich kämpfe dafür, dass das Ergebnis so gut wie möglich ausfällt. Wenn es nicht reichen sollte, dann hat es nicht gereicht – aber es wäre noch schlimmer gewesen, wenn wir es gar nicht versucht hätten. Es braucht gerade in Wien eine neue politische Alternative, davon bin ich überzeugt.

derStandard.at: Sie haben in einem Interview erklärt, dass Sie hoffen, wieder in den ORF zurückkehren zu können. Rechnen Sie schon gar nicht mehr damit, dass das BZÖ den Einzug in den Gemeinderat schafft?

Kiesling: Ich habe nicht gesagt, dass ich hoffe in den ORF wieder zurückkehren zu können. Eine Frage eines Journalisten, ob mein politisches Engagement kontraproduktiv für eine zukünftige Tätigkeit beim ORF wäre, habe ich dahingehend beantwortet, dass dies in einer Demokratie traurig wäre.

derStandard.at: Was werden Sie tun, sollte das BZÖ tatsächlich unter 5 Prozent liegen? Werden sie sich dennoch weiterhin für das BZÖ engagieren?

Kiesling: Warum sollte ich nicht? Mein politisches Engagement und mein politisches Selbstverständnis hängen nicht primär von einem Wahlergebnis ab. Da geht es nur darum, was man konkret umsetzen kann. Je mehr WählerInnen uns unterstützen und uns ihr Vertrauen schenken, desto mehr werden wir erreichen können.

derStandard.at: Hans-Jörg Schimanek, die Nummer Eins Ihrer Liste, tritt für die Wiedervereinigung von BZÖ und FPÖ ein. Wie stehen Sie dazu?

Kiesling: Hans-Jörg Schimanek hat sich dafür ausgesprochen, dass es eine echte freiheitliche, sozial-liberale Sammelbewegung geben soll. Das war ja auch die Idee hinter der Gründung des BZÖ, das grenzt uns – Gott sei Dank – von der Rest-FPÖ ab. Hier ist jeder eingeladen, mit zu machen.

derStandard.at: Wie stehen Sie zur FPÖ und H. C. Strache?

Kiesling: Das, wofür die Rest-FPÖ unter Strache und Herren wie Mölzer oder Stadler steht, ist für mich widerlich. Stadler und Mölzer halte ich für gefährlich. Ich unterstütze das BZÖ und nicht die FPÖ. Ich stehe im Gegensatz zur Alt-FPÖ für eine Politik, die in die Zukunft gerichtet ist.

derStandard.at: Laut "News" soll Schimanek als Spitzenkandidat des BZÖ Wien hinter Westenthaler und Mausi Lugner nur die dritte Wahl gewesen sein. Das heißt, es gab nicht unbedingt ein G'riss um den Job. Wer hat Sie zur Kandidatur überredet? Gab es mehrere BewerberInnen für die Nummer Zwei des BZÖ?

Kiesling: Was das "News" halt so schreibt... Wahr ist: Ich wurde nicht "überredet", sondern wollte mich politisch mit den Inhalten engagieren, die ich für richtig und wichtig halte. BZÖ-Obmann Landeshauptmann Jörg Haider, mit dem ich seit langem Kontakt habe, hat mir dieses Engagement ermöglicht und mich eingeladen. Diese Einladung habe ich angenommen. Ob es andere BewerberInnen gegeben hat, weiss ich nicht.

derStandard.at: Streben Sie die Position der Nummer eins im BZÖ Wien an? Wäre das Ihr Traumjob?

Kiesling: Die politische Position, die ich anstrebe, ist die, auf die die WählerInnen mich stellen. Politisch gestalten zu können, damit es den Menschen besser geht – das wäre mein "Traumjob".

derStandard.at: Sie haben erklärt, für Sie sei das Thema Arbeitslosigkeit besonders wichtig, da sie als Künstlerin wüssten, "was das bedeutet". Vielleicht Sehen Sie da auch Unterschiede zwischen arbeitslosen Schauspielerinnen und den Durchschnitts-Arbeitslosen?

Kiesling: Nein, wie kommen Sie auf diese Idee?! Arbeitslos ist arbeitslos. Das Gefühl, nicht gebraucht zu werden, die Hoffnungslosigkeit und all das, was damit verbunden ist, ist immer das gleiche. Hier läuft so vieles falsch, weil vom AMS Arbeitslosigkeit nur verwaltet wird, statt aktiv Vermittlungsbemühungen zu forcieren. Je länger man arbeitslos ist, desto mehr wächst das Gefühl, versagt zu haben. Statt echter Hilfe zur Selbsthilfe bekommt man vom AMS nur sinnlose Kurse. Dabei will doch niemand ein Almosenempfänger sein. Deshalb ist mir gerade dieses Thema so wichtig!

derStandard.at: Der Spitzenkandidat des BZÖ Wien, Hans-Jörg Schimanek, hat noch vor wenigen Jahren gegen den "Kinderschänder Mühl" und seine "Schüttbilder" polemisiert, BZÖ-Chef Haider sorgte bei den letzten Wien-Wahlen mit seiner Aussage über den Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzikant ("Ich verstehe nicht, wie einer, der Ariel (Muzikant) heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann!") oder den SPÖ-Wahlkampfmanager Stanley Greenberg ("Den hat er sich von der Ostküste einfliegen lassen") für Aufregung. Wie stehen Sie zu solchen Aussagen?

Kiesling: Zuerst einmal: Man soll nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Das eine ist die Debatte über Kunst. Hier ist es wohl zulässig, dass jemanden etwas nicht gefällt auch wenn es andere in den Himmel loben. Ausserdem: Was ist schlecht daran, wenn kontroversiell über Kunst diskutiert und gestritten wird? Fatal wäre doch das Gegenteil.

Das andere ist die politische Debatte: Hier wird auf allen Seiten mit den selben Waffen gekämpft. Dass ich gewisse Formulierungen nicht goutiere, das trifft auf Jörg Haider genau so zu wie auf so manchen Vertreter anderer Parteien – inklusive Bürgermeister Häupl.

derStandard.at: Ist das nicht ein weiter Weg vom Liberalen Forum, das Sie vor wenigen Jahren noch als Ihre politische Heimat bezeichnet haben? Schließlich propagierte das LIF Toleranz gegenüber Minderheiten und ausländischen MitbürgerInnen, außerdem trat es immer für die Freiheit der Kunst und gegen KünstlerInnen-Hetze ein.

Kiesling: Nein, der Weg ist kürzer als manche denken. Ausserdem braucht es heute weniger diesen Allerwelts-Liberalismus, wie ihn das LIF vertreten hat – und woran es ja auch gescheitert ist – als vielmehr einen sehr sozial und auf die Interessen der Menschen ausgerichteten Liberalismus in der Politik, der gegen die Bevormundung des Einzelnen auftritt und für die Befreiung der Leute aus den Zwangsjacken des "Systems". Nehmen Sie Wien: Wieso braucht es 700 Millionen Euro an Rücklagen für das Monopol der Wien Energie, während die WienerInnen unter den zu hohen Strom- und Gaspreisen stöhnen?

Ich verwehre mich dagegen, dass man dem BZÖ – und damit mir – unterstellt, nicht tolerant gegenüber Minderheiten und ausländischen MitbürgerInnen oder gegen die Freiheit der Kunst zu sein und gegen KünstlerInnen zu hetzen. Bleiben Sie bitte sachlich!

derStandard.at: Sollten Sie nun am kommenden Sonntag ein Mandat im Wiener Gemeinderat erringen, was hoffen Sie für das BZÖ zu erreichen/was sind Ihre wichtigsten Anliegen?

Kiesling: Wien ist eine schöne Stadt – aber nicht wegen der SPÖ und ihrer absoluten Mehrheit, sondern trotzdem. Hier gibt es vielen Bereichen konkreten Kontroll-, Verbesserungs- und Reformbedarf. Das haben wir versucht, im Wahlkampf klar zu machen: Uns ist der Mensch wichtiger als das verpolitisierte System. Diese Botschaft in der täglichen politischen Arbeit mit Leben zu erfüllen, das ist mein Anliegen.