Ein mittlerer Auszucker ist es wohl, mit dem Bundeskanzler Wolfgang Schüssel rechnen - und dem er begegnen muss. Eine absolut erstarkte rote Hausmacht in Wien ist schmerzhaft, gewiss. Weit bitterlicher wäre es aber, wenn seine, die Kanzlerpartei, von den Grünen überholt würde - ein Wahlargument, das die Grünen in den letzten Tagen wiederholt und genüsslich ins Treffen führten. Es wäre aber auch unangenehm genug, wenn die Grünen der VP in Wien auch nur auf den Fersen sind. Wenn die ÖVP aber gleichzeitig dazugewinnt, könnte dies alles noch kurz wegargumentiert und dann ausgeschwiegen werden.
Neue Partnersuche
Aber der Juniorpartner in drei Landtagswahlen einfach von der Bildfläche verschwunden, dazu noch eine zwar erholte, aber immer noch halbierte FPÖ: Schüssel weiß längst, dass er sich nach einem neuen Partner umsehen wird müssen, sofern er dazu noch einmal in die Lage versetzt wird. Der Prozess könnte mit dem von der SPÖ strategisch angelegten Wahl-"Dreischlag" im Oktober deutlich beschleunigt werden.
Entspricht das Ergebnis der Wiener Wahl nur halbwegs den Prognosen, könnte sie auch ein Dokument für den rasanten Erosionsprozess in der Parteienlandschaft werden: Wer hätte vor ein paar Jahren noch für möglich gehalten, dass die FPÖ von den Grünen deutlich überholt würde? Am Vorabend der Wahl wurde dies bereits wie selbstverständlich angenommen.
Was Wien selbst betrifft, ist man versucht, wieder einmal Helmut Qualtinger zu zitieren: "Wien bleibt Wien und das geschieht ihm ganz recht." Eine Stadt, die vor allem einmal ordentlich verwaltet ist, fühlt sich so wohl, dass sie ihr Oberhaupt wiederwählt - und das noch dazu mit einer satten und immer noch satter werdenden Mehrheit.
Michael Häupl stellt sich am Sonntag einer Zitterpartie - er muss nur noch zuschauen, wie weit der Zeiger über die 50-Prozentmarke hinaufzittert. Den großen Wurf, die Vision für das nächste halbe Jahrzehnt hat er nicht geliefert. Die zentrale Botschaft wurde bereits mit dem offiziellen Wahlkampfsong geliefert: "What a wonderful place this is." Mit dem sinngemäßen Zusatz: Und wenn schon einmal etwas schief läuft, ist der Bund schuld.
Dass die Gewerkschaftsbank Bawag im letzten Moment gröbere Schwierigkeiten bekam, dürfte das Wiener Ergebnis kaum noch beeinflussen - zu knapp liegen die Ereignisse vor dem Wahltag; keine Partei konnte dies noch wirklich kampagnisieren. Für Häupl reicht es, wenn er mit einem einfachen Satz reagiert: "Wurde ich je zu einer Kreditvergabe bei der Raiffeisen oder der Erste Bank befragt? Das geht mich nichts an."
Die Gegner waren auch nie wirkliche Herausforderer für Häupl. Es ist auch schwer, einen gezielten Angriff zu reiten, wenn vom Gegenüber kaum inhaltliche Bollwerke aufgestellt wurden.
Wien wird eine Stadt bleiben, in der die Müllabfuhr funktioniert und gutes Wasser aus den Leitungen kommt. Hin und wieder gibt es dann ein bisserl Fortschritt - ein wenig Biotechnologie-Cluster hier, ein bisserl Creative Industries dort. Die Zeiten, in denen große, symbolische Zeichen gesetzt wurden - wie etwa ein neuer Stadtteil an der Donau - scheinen vorerst wieder einmal vorbei zu sein.