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Stellten kritische Fragen im Kontrollgremium der Bawag P.S.K.: (oben, von links:) Siemens-Chef Albert Hochleitner, Post-Vorstand Rudolf Jettmar, Gewerkschafter Rudolf Kaske; (unten, v.li.:) AK-Direktor Werner Muhm, Casinos-Chef Leo Wallner und ÖGB-Finanzchef Günter Weninger

Fotos: AP, APA, STANDARD/Newald
Wien – Die Verschnaufpause für den Vorstand der Bawag P.S.K. währte nur kurz. Nachdem der Aufsichtsrat Donnerstagabend fünf Stunden lang in einer turbulenten Sondersitzung über den 425-Millionen-Euro-Kredit an das (indes insolvente) US-Brokerhaus Refco und seinen unter Betrugverdacht stehenden Ex-Chef Phillip Bennett beraten hatte, gab es Entwarnung. Der Vorstand bleibe vorerst im Amt, teilte Bawag-Präsident Günter Weninger mit.

Der Kredit von 350 Mio. Euro an Bennetts Privatunternehmen Refco Group Holdings Inc. entstamme einer Refco-Kreditlinie, der Vorstand habe bei der Vergabe alle Vorschriften eingehalten. Nach einer Prüfung durch die Finanzmarktaufsicht FMA werde man weitersehen.

FMA zog Prüfung vor

Keine zehn Stunden später war erneut Feuer am Dach: Die FMA zog ihre Vor-Ort-Prüfung vor und entsandte noch am Freitagvormittag sechs Prüfer (je drei von Notenbank und FMA) in die Bawag-Zentrale in der Wiener Seitzergasse.

Auftrag der Truppe: Sie analysiert den Kreditvergabeprozess und prüft, ob der Aufsichtsrat genügend informiert war. Vor allem sollen die Prüfer die Dokumentation zum Blitzkredit prüfen, denn diese hat bis jetzt noch niemand gesehen. Ein Teil des 75-Mio-Euro-Kredits an Refco selbst ist übrigens bereits verkauft.

Kein Licht ins Dunkel

Die Erhellungsversuche des Bawag-Vorstandes unter Johann Zwettler reichen der FMA nicht. Noch Donnerstagabend hatte Bawag-Staatskommissär Martin Brandl die FMA auf den neuesten Stand der Dinge gebracht. FMA-Chef Kurt Pribil, nach einem Gespräch mit den Bawag-Chefs Zwettler, Christian Büttner und Peter Nakowitz, die den Kredit erlaubten: "Es wurden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Daher prüfen wir sofort." Die Untersuchung werde "zehn bis vierzehn Tage dauern", bei Verstößen drohten "Verwaltungsstrafen bis zur möglichen Enthebung einzelner Geschäftsführer."

Tatsächlich wurde in der Sitzung – in der niemand seinen Rücktritt angeboten hat und niemand einen solchen gefordert hat – überaus kontrovers diskutiert. Im Mittelpunkt des Interesses: die Chronologie der Geschehnisse nach dem 5. Oktober, an dem Bennett laut Vorstand um den Kredit angesucht hat.

Laut Vorstand fanden danach Gespräche mit Wirtschaftstreuhändern und Anwälten statt, in denen es um die Verpfändung des Refco-Aktienpakets ging, das Bennett als Sicherstellung anbot. Seine Unterschriften wurden in New York von Anwälten eingeholt; danach hätten Zwettler, Büttner und Nakowitz am Sonntag, dem 9. Oktober, ihren Sanktus zum 350-Mio-Kredit gegeben. Die übrigen vier Vorstände wurden davon verständigt, was den Richtlinien entsprochen habe: Beim Abruf von Kreditlinien genügt ein mehrheitlicher Vorstandsbeschluss, Zwettler hat zwei Stimmen. Zudem fasste der achtköpfige Bankvorstand am 12. Oktober (einen Tag nach Bennetts Verhaftung) einen einstimmigen Kreditbeschluss.

Ohne Kreditausschuss

Am 10. Oktober, der in den USA als Columbus Day gefeiert wird, beauftragte der Vorstand das Treasury mit der Überweisung. An dieser Stelle setzte es bohrende Fragen der Bawag-Kontrollore: Refco hat seit 1999 eine variable Kreditlinie. Ihre Höhe hängt vom Eigenkapital der Bank ab, bei Refco schwankte sie zwischen 300 und 510 Mio. Euro. Da seit der Fusion die P.S.K.-Eigenmittel zur Bawag gehören, schienen die 350 Mio. Euro kein Problem zu sein. Der Vorstand musste laut seiner Darstellung den Kreditausschuss nicht mit Refco befassen.

Am kritischsten wurde hinterfragt, ob Bennetts private Refco Group Holdings Inc. unter die Refco-Kreditlinie falle; der Vorstand bejahte.

Kurzum, der Betrag wurde angewiesen – über Konten der Bayerischen Landesbank zur US-Bank Chase Manhattan, bei der das Geld am 11. Oktober eintraf. Kurz zuvor erfuhr Zwettler, auf Dienstreise, von den Refco-Turbulenzen. Die folgende Hektik ist nachvollziehbar: Treasury-Vorstand Büttner setzte alle Hebel in Bewegung, die Überweisung zu stoppen. Es war zu spät.

Werbekampagne gestoppt

Die aktuelle Werbekampagne der Gewerkschaftsbank ("Wir holen mehr für Sie raus") wurde übrigens gestoppt. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22./23.10.2005)