Der Bericht des deutschen Staatsanwaltes Detlev Mehlis zum Mord an dem libanesischen Expremier Hariri erschüttert die Macht des syrischen Regimes. Damaskus hofft auf Entlastung durch weitere Ermittlungen.

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Mit dem Bericht des UNO-Sonderermittlers ist der Mordfall Hariri praktisch zur Familienangelegenheit des regierenden Assad-Clans in Damaskus geworden. Denn Detlev Mehlis, der deutsche Staatsanwalt, sieht schließlich in seinem vergangene Woche vorgelegten Bericht trotz Lücken in der Beweiskette genug Hinweise auf eine lang geplante syrisch-libanesische Verschwörung, die insbesondere Maher al-Assad, den Chef der Präsidentengarde und Bruder des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad sowie den Schwager Assef Shaukat, den Leiter des Militärgeheimdienstes, belasten.

Wie wird der syrische Präsident damit umgehen? Kann er sich von Bruder und Schwager distanzieren, oder braucht er sie als Stützen seiner Macht? In den Reaktionen des Regimes zeigten sich am Wochenende die Unsicherheit und Angst, die in Damaskus herrschen. Zunächst versuchten Regierungsvertreter, die Arbeit der Untersuchungskommission zu diskreditieren.

Informationsminister Mahdi Dakhlallah bezeichnete den Bericht als politisch beeinflusst, Syriens UNO-Botschafter Feisal Makdad sprach in New York gar von einer großen Lüge. Die Unschuldsbeteuerungen der Syrer wirkten jedoch unglaubwürdig, Damaskus manövrierte sich zusehends ins Abseits.

Schließlich bemühte sich der rechtspolitische Berater des Außenministeriums bei einer Pressekonferenz in Damaskus um Schadensbegrenzung. Er betonte, der Bericht sei im Libanon in einem Klima der Feindseligkeit gegenüber Syrien entstanden und deshalb nicht frei von politischem Einfluss, vermied aber jede direkte Kritik an Mehlis. Der UNO-Ermittler solle seine Arbeit ordnungsgemäß abschließen und könne mit der Unterstützung der Syrer rechnen. Auf Nachfragen der Journalisten sicherte der Außenamtsvertreter sogar zu, Damaskus werde jeden Syrer ausliefern, dem eine Beteiligung an dem Mord nachgewiesen würde.

Die Syrer setzen in weitere Ermittlungen offensichtlich eine letzte Hoffnung. Mehlis könnte zu dem Ergebnis kommen, dass Präsident Bashar al-Assad mit dem Mordkomplott nichts zu tun hatte und seine Verwandten zu Unrecht beschuldigt wurden. Denn die beiden Zeugen, die Maher al-Assad und Assef Shaukat derzeit belasten, haben zweifelhafte Vorgeschichten. Beide sollen früher für den syrischen Geheimdienst gearbeitet haben, einer wurde wegen Fälschungen und Betrugs verurteilt.

Die Tatsache, dass dieser Hauptbelastungszeuge ausgerechnet von Rifaat al-Assad, dem im Exil lebenden Onkel und Widersacher des syrischen Präsidenten, vermittelt wurde, lässt zusätzliche Zweifel an seinen Aussagen aufkommen. Es könnte also durchaus passieren, dass sich die Verdächtigungen gegenüber Maher und Assef am Ende nicht beweisen lassen. Dann bliebe als Drahtzieher von syrischer Seite nur Rustom Ghazale, der Chef des syrischen Geheimdienstes im Libanon zum Zeitpunkt des Anschlags. Er ist - anders als die beschuldigten libanesischen Generäle noch auf freiem Fuß. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.10.2005)