Nach dem großen Hype zum Bericht von UNO-Ermittler Detlev Mehlis, der die syrische Führung mit dem Mord am libanesischen Expremier Rafik al-Hariri in Beziehung bringt, halten die Beteiligten erst einmal inne. Diese Behauptung scheint der Tatsache zu widersprechen, dass der Fall bereits im UNO-Sicherheitsrat ist, wo die USA und Frankreich am Dienstag eine Syrien-kritische Resolution eingebracht haben. Während jedoch vor ein paar Tagen Sanktionen gegen Syrien auf der Hand zu liegen schienen, haben sich die USA und Frankreich offensichtlich relativ einfach davon überzeugen lassen, dass es dafür zu früh ist. Nur falls auch der nächste Bericht Mitte Dezember negativ ausfällt, das heißt wenn Syrien erneut nicht voll kooperiert, werden sie wieder zur Sprache kommen.

In der Tat haben die USA keine Eile: Für sie ist diesmal wichtiger, dass die Sache konsensuell läuft, als dass sie schnell vonstatten geht. Washington bemüht sich um eine breite Mehrheit im UNO-Sicherheitsrat und ist dafür bereit, einen Stufenmodus in Kauf zu nehmen. Vor allem soll der Eindruck vermieden werden, dass es um ganz andere Dinge als um den Hariri-Mord geht, nämlich um offene Rechnungen mit dem syrischen Regime an sich, das als einziges im Nahen Osten der US-Politik offene Opposition entgegensetzt. Das amerikanische Bemühen ist klar ersichtlich, den Fall Hariri als einen der internationalen Gemeinschaft wahrnehmen zu lassen.

Dazu kommt, dass sich die warnenden Stimmen vor einer weiteren Destabilisierung der Region mehren, und wenn sie aus Israel kommen, wo das syrische Baath-Regime gewiss keine Freunde hat, dann nimmt man sie umso ernster. Vielleicht überlegt man sich in Washington diesmal genauer als im Fall des Irak, was man eigentlich will. Und diese Atempause wäre eine Chance für Syriens Präsident Bashar al-Assad, sein Land und sich selbst vor Unbill zu bewahren. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.10.2005)