Dominique Montcourtois: Herr der Döschen und Flakons.

Foto: Dior

Betritt man die nagelneuen Studios der Chanel-Kosmetik-Macher an der Pariser Place Vendôme, ist man zunächst einmal geblendet von den vielen makellos weißen Oberflächen, unmittelbar angezogen von Objekten, den wundervoll arrangierten Bouquets aus weißen Orchideen, den vielen schwarzen Döschen mit Doppel-C drauf, und man ist natürlich ein wenig eingeschüchtert vom Genius Loci.

Denn immerhin hat gegenüber, im Hotel Ritz, Mademoiselle Chanel in ihren letzten Lebensjahren residiert. Und es ist, als ob ihre - in späteren Jahren - strenge Miene mit dem zur geraden Linie verkniffenen Mund immer noch dafür sorgt, dass hier Schwarz und Weiß regieren, dass die Proportionen stets stimmen, dass Gold und Farbe bei allen kreativen Äußerungen der Marke Chanel das richtige Maß haben.

Heidi Morawetz, der Wien-Faktor bei Chanel, und Dominique Montcourtois, Monsieur 100.000 Volt, die Createure des Make-up, sind Königin und König auf dem Planeten Chanel und die Bewahrer des Erbes von Mademoiselle Coco. Das hat natürlich seine Herausforderungen.

Denn die Zeit seit Mademoiselles Tod ist nicht nur nicht stehen geblieben, sondern hat die Technologie, die dermatologische Forschung und die Vorstellung von Ästhetik mit ungeheurem Tempo vorangetrieben. "Der Stand der Technik ist letztlich entscheidend dafür, ob ein Produkt seinen Marktauftritt bekommt oder nicht", meint Dominique Montcourtois nüchtern. Bei der aktuellen Make-up-Kollektion war es etwa die technische Machbarkeit der Goldprägung auf den Lidschatten, die über Sein und Nichtsein des asiatisch/Art déco angehauchten Starprodukts "Coromandel" entschieden hat. "Da waren einige Jahre technischer Entwicklung nötig, um das Gold in so feinen Arabesken auf die Lidschatten-Textur zu prägen. Und das auch noch serienmäßig, versteht sich."

Langfristigkeit ist überhaupt ein großes Stichwort für Montcourtois. Wie verträgt sich die Notwendigkeit, den Blick auf einen fernen Horizont zu richten, mit der allseits beschworenen Kurzlebigkeit und -atmigkeit der modernen Zeiten im Allgemeinen und der Schönheitsindustrie im Besonderen? "Wir entwickeln unsere Produkte aus dem Kern der Marke heraus. Wir schielen nicht nach dem, was auf den Laufstegen geschieht, nicht einmal unbedingt nach dem, was auf dem Chanel-Laufsteg geschieht. Bei uns werden Sie keine Mode-Models als Make-up-Models wieder finden. Bei den Parfums ist das wieder etwas anderes. Da gibt es natürlich Testimonials mit Superstars etc. Aber Make-up hat seine eigenen Gesetze."

Wie als Beweis steht in Montcourtois' gläsernem Büro ein Tisch mit der kanadischen Flagge bedeckt, unter dem sich alle möglichen Formen von Döschen und Flakons abzeichnen. Da schlafen die Prototypen von Produkten, die 2007, 2009 oder gar 2011 in Serie gehen. Darunter sind Produkte, die man in ihrer Wirkung heute noch nicht einmal kennt. "Zum Beispiel ein Make-up, das weit mehr ist als alles, was man heutzutage unter Foundation kennt. Es wird wie eine zweite Haut funktionieren." Bis dahin wird man sich mit der ersten Haut beschäftigen: mit den Texturen, Farben, Packaging, der Inszenierung der Make-up-Looks, denn bis die vom Chanel-Häuptling Karl Lagerfeld ausgegebene Devise "Die plastische Chirurgie ist die Haute Couture des 21. Jahrhunderts" Realität wird, wird es wohl noch ein Weilchen dauern. Und selbst dann braucht's Pflege, Farbe und luxuriöse Spielsachen mit Doppel-C. B.S./Der Standard/rondo/07/10/2005)