Wien/Ankara - Als "gefährlich und unnötig" hat die in New York ansässige Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch Committee" die von der Türkei geplante neue Anti-Terror-Gesetzgebung kritisiert. Der für die Türkei zuständige Vertreter der Gruppe, Jonathan Sugden, warnte gegenüber der regierungsnahen türkischen Zeitung "Zaman" vor einem Imageschaden für Ankara.

Bisher habe seine Organisation die Türkei immer als Beispiel für andere europäische Länder genannt, wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus ging, sagte Sugden. Die Türkei habe stark unter dem Terrorismus gelitten, sie habe es aber nicht zugelassen, dass die Sicherheit ein Risiko wurde während sich Ankara um die Verbesserung der Menschenrechtslage bemüht habe.

Zunahme von Folterungen zu befürchten

Die neue Anti-Terror-Vorlage werde jedoch einen Rückschritt bringen. Sugden wies darauf hin, dass darin vorgesehen sei, dass ein Verdächtiger erst nach zwölf Stunden einen Anwalt sehen könne. Damit sei eine Zunahme von Folterungen zu befürchten und das in den letzten Jahren gesteigerte Ansehen der Türkei werde dadurch Schaden erleiden. Jene Kräfte im Militär, die für die Unterbindung des Kontakts zwischen Verdächtigem und Anwalt seien, müssten überzeugend darlegen, warum dies den Terror stoppen könne.

"Schlimmer als Kriegsrecht"

Das Anti-Terror-Paket, das vom türkischen Justizministerium, dem Generalstab und den Geheimdiensten vorbereitet wurde, hat laut "Zaman" heftige Kritik in der Öffentlichkeit ausgelöst, nachdem Teile davon an die Medien durchgesickert waren. So hatte die Zeitung "Milliyet" in einer Schlagzeile das Paket "schlimmer als Kriegsrecht" bezeichnet. Dem Blatt "Hürriyet" zufolge könnte künftig jedwedes Verbrechen unter die Anti-Terror-Gesetzgebung fallen. Mehrere die Bürgerrechte einschränkende Artikel des Strafgesetzbuchs, die 1991 unter dem damaligen Präsidenten Turgut Özal abgeschafft wurden, würden nun zurückkommen.

Auch EU-Abgeordnete, die den Fortschrittsbericht zur Türkei - der am 9. November veröffentlicht werden soll -, vorbereiten, kritisierten die Anti-Terror-Vorlage. Die Vorsitzende des parlamentarischen Unterausschusses für Menschenrechte, Helene Flautre, sagte gegenüber "Zaman", man werde die in der Vorlage enthaltenen Bestimmungen sehr genau prüfen. Der türkische Beitrittsprozess müsse als ein Ganzes betrachtet werden und man werde weiterhin alle problematischen Fragen zur Sprache bringen.

Öffentlichkeit

Der Ko-Vorsitzende des gemeinsamen parlamentarischen EU-Türkei-Ausschusses, Joost Lagendjik, wies auf die Ablehnung der Vorlage in der türkischen Öffentlichkeit hin und betonte, alle Gesetze müssten in Einklang mit den EU-Prinzipien und den Reformbetrebungen der Türkei stehen. Zugleich übte Lagendjik heftige Kritik am türkischen Justizminister Cemil Cicek, dem er vorwarf, nicht die gleiche Reformbegeisterung wie die Regierung zu zeigen. Cicek sollte eigentlich eine führende Rolle im Reformprozess spielen, aber er verkompliziere ihn stattdessen. "Ich glaube nicht, dass er diesen Job bewältigen wird", so Lagendjik. (APA)