Foto: CNN
Für seinen Artikel über verheerende Auswirkungen des staatlich geförderten Baumwollanbaus in Usbekistan kürte CNN "mare"-Redakteur Dimitri Ladischensky zum "Journalist of the Year". DER STANDARD fragte per E-Mail nach Kriterien einer guten Reportage.

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STANDARD: Ihre Reportage "Elender Staub" erschien im September 2004 in der Reisezeitschrift "mare". Was ist seither in Usbekistan passiert?

Ladischensky: Ich habe Leserzuschriften erhalten, die Krankenhäuser in Usbekistan unterstützen möchten und um Vermittlung gebeten haben. Ebenso will ein Kreis von Berliner Ärzten ausrangiertes medizinisches Gerät aus deutschen Kliniken besorgen. Ich versuche nun, einen Transport zu organisieren, bei dem unterwegs nichts in dunklen Kanälen verschwindet.

STANDARD: Wie lange haben Sie recherchiert?

Ladischensky: Insgesamt drei Wochen. Eine am Aralsee, in der ehemaligen Hafenstadt Muinak, eine weitere in der Provinzhauptstadt Nukus. Die restliche Zeit habe ich mit Behördengängen und Akkreditierungsgesuchen verbracht.

STANDARD: Wie gestalteten sich die Recherchen?

Ladischensky: Schwierig. Es gab kaum ein offenes Wort. Verfolgung, Drangsal, Einschüchterung haben die Menschen schweigsam gemacht, ich stieß überall auf Spitzel. Man will auf keinen Fall etwas riskieren. Dazu die Behörden, die Beamten, sie sind allesamt Anwälte des Staates und dessen unerschütterlicher Schönrednerei.

STANDARD: Wie hat die Bevölkerung Ihre Recherchen wahr- bzw. aufgenommen?

Ladischensky: Fatalistisch. Über Journalisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen heißt es: Hätte jeder dieser Experten ein Glas Wasser mitgebracht, wäre der Aral voll.

STANDARD: Wie ist Pressefreiheit in Usbekistan geregelt? Wie wird sie angewandt? Gibt es Zensur?

Ladischensky: Die Presse ist gleichgeschaltet. Die Medien sind meist Regierungsorgane, private Zeitungen begnügen sich mit Kreuzworträtseln.

STANDARD Was zeichnet eine gute Reportage aus?

Ladischensky: Eine gute Recherche, ergebnisoffen. Der Wille, ein Thema quer anzugehen. Ich mag schlanke Sätze. Schreiber, die sich zurücknehmen, nicht von sich selbst ergriffen sind. Auf den Fakt vertrauen, Mut zur Wahrheit, zur Wirklichkeit, auch wenn sie unspektakulär ist und nicht der Lesererwartung entspricht.

STANDARD: Haben Sie journalistische Vorbilder?

Ladischensky: Die Kischpreisträger lese ich gerne, die Ohsangs, die Kochs und Smoltczyks. (DER STANDARD; Printausgabe, 29./30.10.2005)