Italiens öffentlich-rechtliches Fernsehen stehe unter Kontrolle Berlusconis und passe sich immer mehr den Kommerzsendern an, sagt die TV-Kritikerin Maria Novella Oppo. Kein Wunder, wenn eine unzensurierte Sendung so einschlage.

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STANDARD: Wie würden Sie einem österreichischen Leser in Kürze das italienische Fernsehsystem erklären?

Oppo: Alles es unter Kontrolle. Der Medienunternehmer, der Eigner des größten Privatfernsehens ist, hat als Premier auch die öffentlich-rechtliche RAI unter Kontrolle und besitzt das größte Verlagshaus und das wichtigste Werbeunternehmen des Landes.

STANDARD: ... und bezeichnet sich gleichzeitig als "Opfer des Fernsehens" ...

Oppo: ... eine paradoxe Umkehrung der Wahrheit. Berlusconi hat es immer schon geliebt, sich als Opfer irgendwelcher Machenschaften von Richtern, Staatsanwälten und Journalisten darzustellen.

STANDARD: Wie beurteilen Sie das Niveau des italienischen Fernsehens?

Oppo: So tief wie jetzt war es noch nie. Der Grund dafür ist die zunehmende Anpassung der RAI an die kommerziellen Sender. Nur Einschaltquoten und Kommerz entscheiden.

STANDARD: Wie erklären Sie sich die Medienwirkung von Celentanos "Rockpolitik"?

Oppo: Er ist ein Mann aus dem Volk mit einem ganz eigenen Erscheinungsbild. Er hat es geschafft, vertraglich jede Zensur und Kontrolle über seine Sendung auszuschalten. Das wird als große Errungenschaft zelebriert.

STANDARD: Lässt die Aufregung den Schluss zu, dass es um die Qualität der politischen Information im Fernsehen schlecht bestellt ist?

Oppo: Durchaus. Doch das ist ein komplexes Thema. Es gibt viele Möglichkeiten, Information zu verwässern und zu manipulieren. In den Nachrichten etwa ist die "Panino"-Methode beliebt: die Aussage eines Oppositionellen wird als Salamischeibe zwischen die Stellungnahmen zweier Regierungsmitglieder gelegt ...

STANDARD: Berlusconi hat jetzt erneut sechs Namen unliebsamer Kabarettisten aus dem Fernsehen genannt ...

Oppo: Er nimmt die Wirklichkeit verzerrt war und leidet unter Realitätsverlust. Die Verfassung ist für ihn ein Stück wertloses Papier. Er sagt, was ihm gerade in den Kopf kommt, und behauptet am nächsten Tag das Gegenteil. Sein Kalkül: "Irgendwas bleibt immer hängen." (DER STANDARD; Printausgabe, 29./30.10.2005)