Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/Artinger
Wenn das von "NEWS" per Titelgeschichte zum neuen Haider erhobene rechte Schreckgespenst mit mehr als fünf Prozent Stimmen weniger jener große Wiener Wahlsieger ist, in den er sich unter Beihilfe diverser Medien hineinfantasiert, dann muss Michael Häupl mit zwei Prozent mehr logischerweise der große Wahlverlierer sein. Vom Sieg der ÖVP in Wien ganz zu schweigen. Und wir müssen Wolfgang Schüssels Passepartout Wilhelm Molterer dankbar sein, uns die Augen für neue Perspektiven geöffnet zu haben.

Diesmal ließ er für den guten Zweck sein Moltophon nicht im ORF läuten, offenbar hat er doch erkannt, dass man dort nicht für jeden bizarren Gedanken offen ist. Dafür hat sich die ÖVP ja in der "Wiener Zeitung" häuslich eingerichtet, unter dem strengen Auge von Concierge Andreas Unterberger, der schon am Tag nach der Wahl den Bürgermeister als Gefangenen seiner eigenen Tücke entlarvte. Michael Häupl schließlich sollte nachdenken, wie demokratisch es ist, den Wahltag in eine Woche vieler urlaubsbedingter Kurzurlaube zu schieben. Wer anderen durch einen Nichtwahlkampf eine Grube gräbt, kommt oft selbst aus dieser nicht heraus.

Recht geschieht dem nichtwahlkämpfenden Grubengräber! Damit wäre aber nur das katastrophale Abschneiden der Roten erklärt, in der Darstellung des Wahltriumphs der Schwarzen ließ Unterberger noch deutliche Schwächen erkennen, die Molterer gestern ausbügeln musste. Die Landtags- und Gemeinderatswahlen in Wien sind geschlagen, analysierte er in einem Gastkommentar, und - lassen wir die Kirche doch im Dorf! - die ÖVP ist die einzige Partei, die mit ihrem Ergebnis wirklich zufrieden sein kann. Sollte das stimmen, ist "NEWS" ein großer journalistischer Patzer unterlaufen, als es Heinz-Christian Straches Konterfei auf das dieswöchige Titelblatt brachte, statt die Leser mit dem des Gio Hahn aufzugeilen.

Seit der gewesene deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder es zur Mode gemacht hat, einen Wahlsieg aus den Prognosen der Meinungsforscher und nicht aus dem Stimmverhalten der Wähler zu destillieren, wollen auch kleinere politische Geister in dieser Kunst nicht zurückbleiben. Denn in der Realität - schon wieder ließ Molterer die Kirche im Dorf! - blieb doch Bürgermeister Michael Häupl mit seiner SPÖ weit hinter den hochgesteckten Erwartungen zurück, die FPÖ hat gegenüber der letzten Wahl sechs Prozentpunkte verloren und auch die Grünen haben ihr Wahlziel bei weitem nicht erreicht.

Einzig wahrer Wahlsieger ist demnach der, dessen niedrige Erwartungen dem realen Ergebnis am nächsten kommen: Die ÖVP hat in Wien mit ihrem Spitzenkandidaten Gio Hahn - verdientermaßen! - mit einem Plus von 2,4 Prozent den stärksten Zugewinn zu verzeichnen und liegt nun wieder klar an zweiter Stelle. Wobei Molterer es sich bescheidenerweise versagte hinzuzufügen: sogar noch vor den Kommunisten - verdientermaßen!

Damit war der Siegeszug der ÖVP während der letzten Jahre noch lange nicht hinlänglich gewürdigt. Mit diesem Gewinn bei den Wiener Wahlen hat die ÖVP bei sechs von neun Landtagswahlen zulegen können. Seit dem 4. Februar 2000 hat die ÖVP damit bei 29 Wahlen - Gemeinderats-, Landtags-, Europa und Präsidentschaftswahlen - 25 Mal Stimmen und Prozentpunkte gewonnen. Und dass der Finanzminister nun endlich unter der Haube ist, ist vielleicht kein Erfolg der ÖVP? Glückwunsch! Daneben sind die unbedeutenden Verluste zweier Landeshauptleute und eines Bundespräsidenten wirklich nicht erwähnenswert!

Und ohnehin ist an allem nur das mehrheitsverstärkende Wiener Wahlrecht Schuld. Das hätte der ÖVP zwar kein Zehntelprozent mehr an Wählerstimmen gebracht, aber davon hat sie ohnehin genug. Der ÖVP und vor allem Gio Hahn ist es jedenfalls gelungen zu zeigen, dass die Thematisierung von kommunalen Problemen und das Ohr für die echten Bedürfnisse der Wienerinnen und Wiener der richtige Weg war und ist.

Wenn das Ohr der Weg war und ist, ist und war dann die Nase das Ziel Molterers? Die Häupl'sche nämlich, denn viele haben erkannt, dass Wien nicht nur vom absolutistischen Schmäh des Bürgermeisters alleine leben kann, aber immer noch besser als Österreich von dem eines Bundeskanzlers, der es noch nie auch nur in die Nähe von 49 Prozent gebracht hat. Doch Molterer ist zur sonnigen Gemütslage verpflichtet: Eine gute Ausgangslage für die Nationalratswahl 2006! Das muss man sich einmal durch den Gehörgang ziehen.

Doch nicht nur der ÖVP geht es blendend, auch für "NEWS" geht die schreckliche Zeit zu Ende, in der Jörg Haider nicht mehr jenes Gruseln hervorrief, das sein regelmäßiges Erscheinen auf der Titelseite wenn schon nicht sachlich rechtfertigte, dann geschäftlich erklärte. Ab sofort übernimmt Strache die Rolle des Gruselmonsters: Strache will als "neuer Haider" mit den alten Methoden die Geschichte wiederholen. Und "NEWS" wird mit den alten Methoden den "neuen Haider" betreuen, bis er dem alten auf den Komposthaufen der Geschichte folgt. (DER STANDARD; Printausgabe, 29./30.10.2005)