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An allen Fronten unter Druck: US-Präsident George Bush.

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Abgang auf Krücken: Dick Cheneys Ex-Stabschef Lewis Libby schleppt sich aus dem Weißen Haus.

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Bush-Vize Dick Cheney muss vermutlich in den Zeugenstand.

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Sondermittler Patrick Fitzgerald hat am Freitag Anklage erhoben.

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Bush-Chefstratege Karl Rove ist nur vorläufig aus dem Schneider.

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Der Ex-Stabschef des amerikanischen Vizepräsidenten Dick Cheney muss vor Gericht. Die Republikaner versuchen die Angelegenheit kleinzureden, doch es bleiben noch viele für das Weiße Haus unangenehme Fragen offen.

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Washington/Wien - Nach der Anklage gegen einen führenden Mitarbeiter des Weißen Hauses sind die Popularitätswerte von US-Präsident George W. Bush so tief gesunken wie nie zuvor. In einer Umfrage von Washington Post/ ABC meinten nur noch 39 Prozent der Befragten, Bush leiste "einigermaßen gute" oder "sehr gute" Arbeit. Dagegen sind 58 Prozent mit Bush nicht zufrieden, 45 Prozent glauben, dass er seinen Job "überhaupt nicht gut" erledigt.

Unterdessen versuchen die Republikaner die Affaire um den mittlerweile zurückgetretenen Stabschef des Vizepräsidenten kleinzureden. Doch es bleiben noch einige für das Weiße Haus unangenehme Fragen offen. Patrick Fitzgerald, der Sonderermittler in der so genannten "Plamegate"-Affäre, hatte am Freitag Anklage gegen Lewis "Scooter" Libby, den Stabschef von Vizepräsident Dick Cheney, erhoben. Libby, der nach Bekanntwerden der Anklage zurücktrat, soll vor einer Anklagejury die Unwahrheit gesagt haben. Die Jury hatte Vorwürfe überprüft, wonach Mitarbeiter des Weißen Hauses die Identität der CIA-Agentin Valerie Plame enttarnt haben sollen, um sich an deren Mann, dem Botschafter Joseph Wilson, der den Irakkrieg scharf kritisiert hatte, zu rächen.

"Komplett" entlastet

Libby meinte, er rechne damit, "komplett" entlastet zu werden. Bei einem Gerichtsverfahren gegen Libby könnte auch Vizepräsident Cheney in den Zeugenstand gerufen werden.

Der am Freitag von Sonderermittler Patrick Fitzgerald in der Plamegate-Affäre angeklagte Stabschef von Vizepräsident Dick Cheney, Lewis "Scooter" Libby, setzt sich zur Wehr: Er sei zuversichtlich, dass er am Ende des Tages "komplett entlastet" werde. Libby war umgehend zurückgetreten, nachdem Fitzgerald ihn in fünf Punkten (Behinderung der Justiz, falsche Zeugenaussage, Meineid) angeklagt hatte.

Libby ließ außerdem durch seinen Anwalt Joseph A. Tate durchblicken, in welche Richtung seine Verteidigung gehen wird - ein dermaßen wichtiger, mit Staatsgeschäften betrauter hochrangiger Beamter des Weißen Hauses habe so viel um die Ohren, dass er sich nicht an kleinste Details und verschiedene Einzelgespräche erinnern könne.

Geradezu "besessen"

Dem widersprechen aber mehrere spezifische Anklagepunkte, aus denen zu ersehen ist, dass Libby geradezu "besessen" auf die Kritik von Exbotschafter Joseph Wilson an den Vorbereitungen für den Irakkrieg reagiert habe. Seinen Diffamierungsfeldzug gegen Wilson und dessen Frau, die CIA-Geheimagentin Valerie Plame, habe Libby von langer Hand geplant. Sonderermittler Fitzgerald zitierte eine Reihe von hochrangigen Beamten des Weißen Hauses, darunter auch Vizepräsident Dick Cheney, mit denen Libby bereits ab Mai 2003 Gespräche über Plame geführt haben soll (sie wurde im Juli 2003 von Kolumnist Bob Novak geoutet).

Warum log er?

Libbys Beteuerungen, er habe die Identität von Plame durch Journalisten erfahren, haben laut Fitzgerald nicht der Wahrheit entsprochen. In Washington fragt man sich, warum Libby überhaupt gelogen hat. Ihm musste ja bewusst gewesen sein, dass die ursprüngliche Anklage, eine CIA-Agentin im vollen Wissen um mögliche Konsequenzen enttarnt zu haben, schwer oder gar nicht zu beweisen war.

Eine der Antworten mag sein, dass er darauf gebaut hatte, dass die Journalisten ihr Schweigegelöbnis nicht brechen würden, und er seinen Chef Cheney um jeden Preis schützen wollte. Eine weitere offene Frage ist, inwieweit Libby in einer Verfahrensabsprache mit dem Sonderermittler zusammenarbeiten, sich schuldig bekennen und damit ein öffentliches Gerichtsverfahren vermeiden könnte. Dazu müsste er aber Fitzgerald im Gegenzug den Kopf eines noch höher gestellten Mitarbeiters im Weißen Haus (sprich: Cheney) liefern. Mit dem Finger auf Rove zu zeigen würde wohl nicht genügen. Denn über Rove schwebt ohnehin noch immer eine Wolke des Verdachtes - es wird sich aber erst in den kommenden Wochen herausstellen, ob er wirklich davongekommen ist.

Bush erleichtert

Präsident George W. Bush soll angeblich erleichtert sein, seinen Vertrauten Rove (einstweilen) behalten zu können - und zeigt keinerlei Absichten, den ihm von allen Seiten, auch von den Republikanern, verabreichten Rat zu befolgen, drastische Personaländerungen im Weißen Haus vorzunehmen. Bush könnte schon heute, Montag, ein Ablenkungsmanöver in die Wege leiten, indem er einen neuen Kandidaten für den Obersten Gerichtshof ernennt - voraussichtlich jemanden, der sich wesentlich von der glücklosen Harriet Miers unterscheidet. Damit könnte er diesmal seine rechtslastige Basis befrieden.

Die "talking points" der Republikaner haben sich indes rasch herauskristallisiert: Immer wieder verweisen sie darauf, dass Libby nicht unter einem Spionagegesetz angeklagt, sondern "nur" mit so genannten "technicalities" belastet wurde. Diese Ansicht wird teils von Politikern vertreten, die 1998 das Impeachment von Präsident Bill Clinton in der Lewinsky-Affäre wegen ebensolcher "technicalities" gefordert hatten. So versuchte etwa Tony Snow von Fox News, die Sache zu bagatellisieren: "Libby wurde angeklagt, weil er mit Reportern gesprochen hat."

Auch nachdem Fitzgerald - mit Ausnahme der Causa Rove - seine Untersuchungen im Wesentlichen abgeschlossen hat und nur mehr verschiedene lose Enden zusammenfassen will, bleiben dennoch eine ganze Reihe von Fragen offen, unter anderem etwa die, welche Rolle etwa der rechts stehende Kolumnist Bob Novak gespielt haben könnte, der Valerie Plames Namen als Erster öffentlich nannte. (DER STANDARD, Printausgabe 31.10./1.11.2005)