Das hat es selbst in Italien noch nicht gegeben. Nur zwei Wochen nach Verabschiedung der Haushaltsgesetze musste die Regierung Berlusconi einen Nachtragshaushalt erlassen. Weitere Einnahmen bzw. Ausgabenkürzungen von zwei bis drei Milliarden Euro erwiesen sich als nötig, um den Haushaltsfehlbetrag 2006 auf 3,8 Prozent zu drücken. Wirtschaftsminister Giulio Tremonti kündigte ein Steuerkonkordat an: eine Absprache zwischen Steuerzahler und Fiskus über den "ehrlichen" Steuerbetrag. Das sei keineswegs mit einer Amnestie zu vergleichen, betonte der Superminister. Denn nach drei Amnestien hat die EU Italien zu einem Stopp der Ablässe für Steuer- und Bausünder aufgefordert.

Weil Einmalmaßnahmen wie der Verkauf von Immobilien nicht den erwünschten Erfolg gebracht haben, klafft jetzt wieder eine Lücke im Budget, diesmal sechs Milliarden Euro breit. Tremonti, Meister der kreativen Buchführung, ist um innovative Lösungen nie verlegen. Die aus der Besteuerung von Gas- und Ölleitungen erhofften Einnahmen von 2,7 Milliarden Euro sollen nun durch geringere Abschreibungen der Netzgesellschaften wettgemacht werden. Und die verringerten Einnahmen aus den Immobilienverkäufen sollen durch Kürzung der Staatsmittel an die Staatsbahnen FS und die Autobahngesellschaft Anas ausgeglichen werden. Doch Buchhalter Tremonti vergisst eines: die Glaubwürdigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit Italiens.

Erstere hat durch die wiederholten Haushaltskorrekturen einen schweren Schaden erlitten. Letztere ist im Eimer: Denn die gekürzten Zuschüsse an Bahn- und Autobahngesellschaft bedeuten weniger Mittel für den Infrastrukturausbau. Gerade das aber wäre zusammen mit Strukturreformen ein Gebot der Stunde, um Italiens Unternehmen konkurrenzfähig zu machen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.10.2005)