Graz/London/Wien - Kurz vor der vorwöchigen Totalübernahme der Sparkasse Knittelfeld durch die Steiermärkische Bank und Sparkassen AG ist es zu massiven Streitigkeiten um die Kreditvergabe- und die Risikopolitik der Knittelfelder Regionalsparkasse gekommen. Die Kreditchefin hat das obersteirische Geldinstitut im Sommer bereits verlassen müssen. Aus österreichischen Sparkassenkreisen hieß es zur APA, dass die Entwicklung die Fusion mit der "Steiermärkischen" beschleunigt hat.

Der Vorstandsvorsitzende der Steiermärkischen, Gerhard Fabisch, räumte am Montag auf APA-Anfrage ein, dass es zu "Differenzen in der Risikopolitik" gekommen sei. Deshalb sei mit der Übernahme eine nachträgliche Wertberichtigung nach den strengeren Kriterien des Konzerns vorgenommen worden.

Frisches Eigenkapital

Bestätigt wurde von Fabisch heute unter Berufung auf Aussagen der Knittelfelder Sparkassenstiftungsvertreter, dass durch die expansive Geschäftspolitik der Regionalbank auf absehbare Zeit frisches Eigenkapital nötig geworden wäre. Demnach hätte Knittelfeld auch bald einmal eine Kapitalerhöhung gebraucht, und die Stiftung wollte nicht mitziehen. Nun geht die Sparkasse Knittelfeld in der "Steiermärkischen" auf.

Fabisch räumte ein, dass ein "größerer Teil" der erhöhten Kreditvorsorgen im Erste/Sparkassen-Haftungsverbund auf Wertberichtigungen bei der jüngst vollständig übernommenen Sparkasse Knittelfeld zurückzuführen sei. Zuvor war die Steiermärkische schon 51-Prozent-Eigentümer der Regional-Sparkasse. "Eine Frage der Wertberichtigungspolitik", so Fabisch. Einen direkten Zusammenhang mit der Fusion sieht er nicht.

Vorsorgefall

Weil Knittelfeld als Haftungsverbundsparkasse bei der Erste Bank "dazubilanziert" wird, hat der erhöhte Kreditvorsorgebedarf auch auf die Risikokosten der Erste Bank durchgeschlagen. In den ersten drei Quartalen 2005 sind in der Erste Bank die Kreditvorsorgen "deutlich" um 7,2 Prozent von 306,9 auf 329,1 Mio. Euro angestiegen, wie der börsenotierte Wiener Bankkonzern am Montag im Neunmonatsbericht meldete. Die Hälfte des Anstiegs - nämlich mehr als 11 Mio. Euro - "resultierte aus im dritten Quartal angefallenen Einmalaufwendungen in einer kleineren Sparkasse des Haftungsverbundes". Der Vorsorgefall von Knittelfeld hat in den ersten drei Quartalen 2005 im "Sparkassen"-Segment der Erste Bank-Bilanz somit auch den Gewinn reduziert.

Kein Wunder, dass der "Sonderfall" Knittelfeld am Montag in London auch Fragen britischer Analysten bei einer Videokonferenz des Erste-Vorstands provozierte. Laut Erste Bank-Generaldirektor Andreas Treichl war die ehemals zuständige Kreditmanagerin der kleinen steirischen Sparkasse "zu einigen Kunden etwas zu freundlich". Er hob aber hervor, dass es zwischen Feststellung der Vorfälle und den Konsequenzen daraus keine drei Wochen gedauert habe. Die Kreditverantwortliche sei umgehend ihres Amtes enthoben worden. Zudem wurde die Fusion Knittelfelds mit der Steiermärkischen vorangetrieben.

Vollständige Übernahme

Vorigen Dienstag hatte die "Steiermärkische" die Öffentlichkeit über die vollständige Übernahme der Sparkasse Knittelfeld - im Detail über den Kauf der restlichen 49 Prozent an der Sparkasse Knittelfeld AG - informiert. Gesellschaftsrechtlich soll die Fusion kommendes Jahr über die Bühne sein.

Wie "Steiermärkische"-Chef Fabisch weiter ausführte, hätte man die Standards der Steiermärkischen auch schrittweise einführen können, doch habe man das gute Jahr 2005 - laut Prognose Ende September sei trotz des Falles Knittelfeld mit einem Konzernergebnis von 40 Prozent plus zu rechnen - genutzt, um die Harmonisierung in einem Stück durchzuziehen. Die von der Sparkasse Knittelfeld gemachten Wertberichtigungen seien bisher vom Sparkassenprüfverband als in Ordnung befunden worden, unterstrich der Steiermärkische-Vorstandschef. Allerdings verfolge man selbst als Konzern eine strengere Risikopolitik. Fabisch bestätigte, dass es über die Risikopolitik mit der früheren Knittelfelder Kreditchefin und ihrem Vorstand "Auseinandersetzungen" gab. (APA)