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Nogaideli, Jahrgang 1964, früherer Finanzminister in der georgischen Regierung nach der "Rosenrevolution" vor zwei Jahren, übernahm nach dem mysteriösen Tod von Surab Schwania im Februar 2005 das Amt des Regierungschefs.

Foto: EPA/SERGEY DOLZHENKO
Der georgische Premierminister Surab Nogaideli will die USA und die EU im Kaukasus gegen Russland in Stellung bringen. Fragen nach EU- und US-amerikanischen Militärbeobachtern weicht er gleichwohl aus. Im Interview mit dem Standard spricht er über den Konflikt in Südossetien, seine gefeuerte Außenministerin Salome Surabischwili und die kommenden Wahlen im Nachbarland Aserbaidschan.

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STANDARD: Sie haben im Ständigen Rat der OSZE in Wien einen Friedensplan für die kleine Separatistenprovinz Südossetien in Ihrem Land vorgestellt. Die OSZE versucht sich dort schon seit 13 Jahren mit der Konfliktlösung, warum sprechen Sie nicht besser gleich mit Russland? Moskau und die russische Armee haben doch die Macht in Südossetien.

Nogaideli: Wir wollen nicht nur mit Russland verhandeln. Unser Weg ist, einen Friedensplan vorzulegen: Wir wollen, dass die USA, die Europäische Union, die OSZE eine aktivere Rolle spielen. Die Russen haben übrigens sehr konstruktiv auf unseren Vorschlag reagiert, muss ich sagen Sie haben zuletzt auch eine Reihe positiver Schritte getan, etwa bei der jüngsten Sitzung der gemeinsamen Kontrollkommission in Moskau (das Gremium von Russland, Georgien, Süd- und Nordossetien, das über die Sicherheit in der Separatistenprovinz wachen soll, Anm). Die russische Seite hat einer Demilitarisierung zugestimmt, der Entwicklung vertrauensbildender Maßnahmen und dem wirtschaftlichen Aufbau in der Provinz. Verhandlungen über den Status sollen dann folgen.

STANDARD: All das ist schon mehrfach vorgeschlagen worden...

Nogaideli: Ja, aber diese Verständigung ist unterzeichnet worden. Zugleich wollen die Russen an dem bisherigen Peacekeeping-Format festhalten (drei Kontingente von Peacekeeping-Soldaten aus Russland, Georgien und Südossetien, aber unter russischer Führung, Anm.). Wir werden dieses Format also weiter benutzen, bis das neue steht. Dafür wünschen wir die aktive Rolle der USA, der EU und der OSZE.

STANDARD: Einige Minister Ihrer Regierung, Herr Khaindrava etwa, der Minister für die Regionalkonflikte, oder Verteidigungsminister Okruaschwili haben nach der Militärparade der Südosseten zum „Unabhängigkeitstag“ Ende September in Tskhinvali das russische geführte Peacekeeping für beendet erklärt.

Nogaideli: Wir arbeiten an einem neuen Format mit einer aktiven Teilnahme der Amerikaner und der Europäer. Russland wird dabei sein. Jeder weiß, wie einflussreich Russland für die Lösung dieses Konflikts ist. Gleichzeitig müssen wir aber zeigen, dass es der demokratische Wandel ist, der Frieden bringt und ein friedliches Nebeneinander der Menschen möglich macht. Niemand kann Interesse haben, den status quo aufrecht zu erhalten. Der status quo trägt nicht nur zu unseren Problemen in Georgien bei, sondern auch zu Russlands eigenen Problemen im Nordkaukasus.

Über amerikanische und EU-Beobachter in Südossetien >>>>>Weiter klicken

STANDARD: Diese Auffassung vertritt die georgische Regierung schon seit dem Machtwechsel 2003. Sie werden offensichtlich weder von den Russen noch von der südossetischen Führung gehört.

Nogaideli: Es gab wie gesagt positive Zeichen bei dem jüngsten Treffen der Kontrollkommission in Moskau. Zum einen soll die nächste Sitzung Mitte November in Lublijana stattfinden auf Einladung des slowenischen Ratsvorsitzes in der OSZE – das ist wirklich wichtig –, zum anderen ist ein Treffen zwischen Eduard Kokoiti (dem südossetischen „Präsidenten“, Anm.) und mir vereinbart worden. Ich will nicht sagen, dass sich die Dinge einfach durch bloßes Reden erledigen, aber ich bin heute optimistischer, als ich es jemals war. Wir haben sehr positive Reaktionen vom britischen EU-Ratsvorsitz für unseren Wunsch nach einem neuen Peacekeeping-Format erhalten, sehr positive Antworten von der US-Regierung und sehr Konstruktives von russischer Seite gehört.

STANDARD: Was heißt das konkret? Wird es amerikanische und EU-Beobachter vor Ort in Südossetien geben?

Nogaideli: Wir hoffen, dass nicht nur allein die Ukraine, sondern auch die USA und die EU aktiv an den Verhandlungen über ein neues Peacekeeping teilnehmen. Und sobald die OSZE mit ihrer neuen Bestandsaufnahme zum wirtschaftlichen Aufbau in Südossetien, die sie jetzt begonnen hat und die etwa drei Monate dauern soll, fertig ist, dann werden die USA und die EU – so hoffen wir – auch vor Ort aktiv sein, so wie wir selbst mit Investitionen vorangehen werden.

STANDARD: Sie glauben, dass Sie Kokoitis Überzeugung von einem Anschluss Südossetiens an die russische Teilrepublik Nordossetien ändern können?

Nogaideli: Wir werden sicherlich mit der De-facto-Führung in Südossetion arbeiten, gleichzeitig aber auch mit der Bevölkerung. Auf der Ebene der Bevölkerung ist der Konflikt praktisch bereits fast gelöst. Wir werden uns um die Leute kümmern und wir werden Erfolg haben.

Zur Frage des demokratischen Wandels und der Chancengleichheit>>>>>Weiter klicken

STANDARD: Würden Sie sagen, Georgien kann den Südosseten und den Abchasen mehr Demokratie anbieten, als Russland es täte?

Nogaideli: Wir sollten nicht erörtern, was Russland anbieten kann. Ich glaube nicht, dass man sich ernsthaft mit der Frage eines Anschlusses von Südossetien und Abchasien an Russland auseinandersetzen muss. Niemand ist so verrückt. Was aber die Frage des demokratischen Wandels und der Chancengleichheit für die Bevölkerung angeht, so sollten wir definitiv mehr anbieten.

STANDARD: Es wird spekuliert, dass Moskau sehr genau die nun beginnenden Verhandlungen über den Status des Kosovo beobachtet. Sollte Russland nicht zufrieden sein mit dem Ausgang dieser Verhandlungen und der Kosovo praktisch unabhängig werden, würde Russland im Gegenzug den entscheidenden Schritt zur Eingliederung der Separatistenprovinzen auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion – Südossetien, Abchasien, Transnistrien – tun.

Nogaideli: Ich sehe diese Vebindung nicht, ich sehe eine andere: Russland wie Georgien haben dasselbe Interesse, gegen den Separatismus anzukämpfen und Konflikte friedlich zu regeln. Das ist meine sehr pragmatische Ansicht.

STANDARD: Was sollte das Signal an den Westen sein, als Sie Mitte Oktober Ihre Außenministerin Salome Surabischwili entließen, eine französische Diplomatin, die besonders die Westorientierung Georgiens nach der „Rosenrevolution“ symbolisierte?

Nogaideli: Wir hatten keine Absicht, damit irgendein Signal an den Westen zu senden. Unglücklicherweise hatte die Ministerin zunehmend Probleme, mit dem Parlament zurecht zu kommen. Sie ging leider zu weit, so dass plötzlich der demokratische Prozess und die Rechte des Parlaments in Frage standen. Ich musste diese Entscheidung treffen. Georgiens Außenpolitik wird weiter auf Kurs bleiben.

STANDARD: Hatte Sie so sehr Unrecht, als sie von einem System der Korruption innerhalb der Institutionen sprach und dass sie mit ihren Vorwürfen zu viele Parlamentarier verärgerte? Oder war es nur die Art und Weise, wie sie ihre Kritik vorbrachte?

Nogaideli: Das muss sie selbst kommentieren. Was den Kampf gegen die Korruption anbelangt, so waren wir bisher sehr aktiv, sehr erfolgreich, sehr wirksam. Wir sind gegen das Problem der Korruption, das in unserem Land lange als endemisch betrachtet wurde, an breiter Front vorgegangen durch die Reform der Polizei, des Militärs, der Bildungseinrichtungen, und wir machen damit weiter.

STANDARD: Ihre Regierung ist das Produkt einer demokratischen Revolution, der "Rosenrevolution" vom November 2003. Nun stehen in Georgiens Nachbaland Aserbaidschan am nächsten Wochenende Parlamentswahlen an, deren Vorbereitung von der EU-Kommission, dem Europarat wie der US-Regierung bereits mehrfach kritisiert wurde. Verstehen Sie diese Kritik und bringt Sie das nicht in eine unbequeme Position gegenüber Ihrem Nachbarland?

Nogaideli: Uns? Nein, warum sollte es? Wir haben ein Beispiel für die Demokratie in der Region gesetzt, und ich hoffe und glaube, dass die Wahlen in Aserbaidschan auch demokratischen Standards folgen. Wir sollte dort nichts vorverurteilen.

STANDARD: Die Ereignisse der letzen Wochen, die Verhaftung von Ministern, die Vorwürfe, ein Staatsumsturz sei mit Hilfe der Opposition versucht worden, beunruhigen Sie nicht?

Nogaideli: Das beunruhigt uns nicht. Präsident Aliew hat in der Vergangenheit entscheidende Schritte zur Reform seines Landes unternommen, und nicht nur wir, sondern auch andere Staaten sollten ihn dabei unterstützen. Seine Reformen auf dem Weg zur Demokratie mögen nicht so radikal sein, wie wir sie in Georgien unternehmen, aber seine Reformen sind nichtsdestotrotz stetig.