Noch vor einem halben Jahr galt der Bundesrat als mehr oder weniger überflüssige Ansammlung altgedienter Funktionäre, ein gut dotiertes politisches Ausgedinge, das vor allem mit Gestalten vom Zuschnitt eines John Gudenus oder Siegfried Kampl auf sich aufmerksam machte.

Nach den Wahlsiegen im roten Oktober könnte die Länderkammer nun zur kleinen parlamentarischen Probebühne für Rot-Grün werden. Denn mit ihren 33 von 62 Sitzen dürfen die Abgeordneten der Opposition mehr als nur Gesetze der Regierung zurück an das Parlament verweisen und somit verzögern. Sie können beispielsweise auch Materien erneut begutachten lassen und in Ausschüssen behandeln, Minister persönlich vorladen und Anfragen stellen.

Man kann diese Instrumente weidlich ausnützen und sich damit wohl zu Recht den Vorwurf der Blockadepolitik einholen. Diesen hat die ÖVP sicherheitshalber schon erhoben - wobei sie offenbar gnädig verdrängt hat, dass auch sie in ihrer Oppositionszeit von 1982 bis 1986 mit immerhin 47 Einsprüchen im Bundesrat der rot-blauen Koalition unter Fred Sinowatz das Leben schwer gemacht hat. Man kann sich aber auch einige wenige, symbolisch wichtige Regierungsvorhaben in Ruhe vornehmen und mit allen Mitteln der parlamentarischen Geschäftsordnungskunst zerpflücken und dabei demonstrieren, dass man mit der neuen Macht verantwortungsvoll umzugehen versteht.

In jedem Fall werden sich Alfred Gusenbauer und Alexander Van der Bellen ab sofort auf parlamentarischer Ebene noch stärker koordinieren müssen. Sie haben die Chance, mit ihrer neuen Mehrheit im Bundesrat ein Jahr lang noch deutlicher und akzentuierter zu zeigen, welche politischen Regieanweisungen Rot-Grün geben würde. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.11.2005)