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Die seit Tagen andauernde Welle der Gewalt in Pariser Vorstädten eskaliert

REUTERS/Franck Prevel

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Die Unruhen wurden durch den Tod zweier Jugendlicher ausgelöst, die in eine Personenkontrolle geraten waren und vor der Polizei fliehen wollten.

Foto: EPA/Travers / Le Floch
Paris - Die seit fast einer Woche anhaltende Welle der Gewalt in den Vorstädten von Paris droht zu einem Flächenbrand zu werden. In der Nacht auf Mittwoch registrierte die Polizei in Problemvierteln mehrerer Gemeinden im Norden und Nordosten von Paris insgesamt mehr als 150 Brandstiftungen. Die Polizei nahm 34 Menschen fest. Die Unruhen hatten drei weitere Teile der Hauptstadtregion erreicht: Auch in den Départements Seine-et-Marne im Osten, Yvelines im Westen und Val-d'Oise im Norden gingen Fahrzeuge in Flammen auf.

"Sporadische Störaktionen"

Präsident Jacques Chirac forderte, "die Gemüter müssen sich beruhigen". In den sozialen Problemvierteln müsse "das Gesetz streng geachtet werden, allerdings in einem Geist des Dialogs und des Respekts", sagte der konservative Staatschef.

Nach Angaben der Behörden gab es in der Nacht keine direkten Zusammenstöße zwischen den meist jugendlichen Unruhestiftern und der Polizei mehr. Vielmehr hätten sich "kleine bewegliche Gruppen" gebildet, um "sporadische Störaktionen" auszuführen.

"Unruhige" Nacht

In der Nacht auf Mittwoch wurden insgesamt etwa etwa 70 Autos in Brand gesteckt. Allein in Aulnay-sous-Bois zündeten Randalierer 15 Wagen an, in Tremblay-en-France gingen vier Fahrzeuge der Post in Flammen auf. Jugendliche warfen teils mit Steinen auf Feuerwehrfahrzeuge und griffen auch eine Feuerwache an. "Die Nacht ist unruhig", erklärten die Behörden des Départements Seine-Saint-Denis im Nordosten von Paris.

Arbeitslosigkeit bei 27 Prozent

Auch Müllcontainer gingen in Flammen auf. Und in einem Teppichgroßmarkt in Bondy brach Feuer aus; nach Angaben der Feuerwehr war aber zunächst unklar, ob dies mit den Krawallen zu tun hatte. In Clichy-sous-Bois im Département Seine-Saint-Denis, wo die Unruhen begonnen hatten, blieb es vergleichsweise ruhig.

Innenminister Nicolas Sarkozy forderte für diese hauptsächlich von Einwanderern aus Nordafrika bewohnten Viertel mit hoher Arbeitslosigkeit mehr soziale Gerechtigkeit. "Die Jugendlichen dort wollen keine Wohltätigkeit. Sie wollen Arbeit finden und etwas aus sich machen", sagte Sarkozy. Gleichzeitig müsse man entschieden handeln: "Dort gilt nur allzu oft das Recht von Banden, Drogendealern und Schwarzhändlern". In jenem Teil von Aulnay-sous-Bois etwa, in dem die Ausschreitungen stattgefunden haben, sind laut Behördenangaben gegenüber der APA 41 Prozent der 25.000 Einwohner Jugendliche, die Arbeitslosigkeit ist hoch (27 Prozent). Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich gesamt beträgt 20 Prozent.

Maßnahmen gegen Gewalt

Im Pariser Innenministerium kam in der Nacht auf Mittwoch ein Arbeitskreis unter Leitung des Innenministers zusammen, um über Maßnahmen gegen die jüngste Gewaltwelle zu beraten. Die rund dreißig Beamten, Politiker und Jugendlichen stellten fest, dass die betroffenen Trabantenstädte "schlecht leben und ihre Einwohner schweren Problemen begegnen". Sarkozy sagte, es seien "beträchtliche Anstrengungen nötig", um diese zu lösen.

Villepin verschiebt Reise

Premierminister Dominique de Villepin wollte sich am Mittwochnachmittag in der Nationalversammlung zu den Unruhen äußern. Villepin verschob wegen der angespannten Situation eine geplante Kanada-Reise um mehrere Stunden. Er hatte sich in der Frage bisher weitgehend zurückgehalten und seinem umstrittenen Stellvertreter Sarkozy das Feld überlassen. Dieser war durch scharfe Äußerungen in den vergangenen Tagen - wie "Säuberung mit dem Hochdruckreiniger" und entschiedenes Durchgreifen gegen "Gesindel" - auch im eigenen Lager kritisiert worden. Statt "kriegerischer Worte" sei eine Beruhigung der Lage angebracht, sagte der Minister für Chancengleichheit, Azouz Begag.

Straßenschlachten seit Freitag

Die Unruhen wurden durch den Tod zweier Jugendlicher ausgelöst, die in eine Personenkontrolle geraten waren und vor der Polizei fliehen wollten. Dabei kletterten sie in Clichy-sous-Bois über die Mauer eines Transformatorenhäuschens und erlitten tödliche Stromschläge. Seit Freitag gab es ständig nächtliche Straßenschlachten mit der Polizei. (APA/dpa)