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Ausstellung "Seeking Refuge" in Johannesburg

Foto: APA/EPA/Jon Hrusa
Johannesburg - Die meisten kamen mit einem Koffer voller Habseligkeiten und gerade mal zehn Mark in der Tasche an. Gehetzt, bedroht und verfolgt von einem Deutschland im Rassenwahn, trieb der Nazi-Terror viele deutsche und österreichische Juden ins ferne Ausland. Einige landeten in einem Land, das durch seine Rassenpolitik später ebenfalls Schlagzeilen machen sollte: Südafrika. Auf 6.000 bis 7.000 wird ihre Zahl geschätzt - rund die Hälfte davon verschlug es ins Wirtschaftszentrum Johannesburg. Ihnen ist nun mit einer Ausstellung ein dokumentarisches Denkmal gesetzt worden.

Jocelyn Hellig, die Kuratorin der Ausstellung "Seeking Refuge" (Auf der Suche nach Zuflucht), hatte ein Jahr lang Familien interviewt, Dokumente aufgespürt und Bilder zusammengetragen. Bei der Eröffnungsveranstaltung unter einer mächtigen Eiche in dem mit afrikanischen Ndebele-Ornamenten bemalten Atrium des Johannesburger Goethe-Instituts war am Mittwochabend viel von Brückenschlag die Rede, aber auch von Zwiespalt und Emotion. "Es wird Zeit - es sind nicht mehr viele von uns übrig", mahnte der frühere südafrikanische Botschafter in den USA, Harry Schwarz. Als Siebenjähriger war er 1934 aus seiner Heimatstadt Köln geflohen.

Aufarbeitung

"Für einige der Befragten war es eine traumatische Erfahrung, ihre Geschichte zu erzählen", sagt Kuratorin Jocelyn Hellig. Sie sieht die Ausstellung als Beginn einer Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Juden in Südafrika: "Es ist ein Kapitel, das auch hier bisher nicht so recht bekannt ist." Das Ergebnis ihrer Arbeit sind 35 Biografien von jüdischen Flüchtlingen aus Großstädten wie Berlin, München, Hamburg und Düsseldorf oder Orten wie Landau, Soest, Ermershausen oder Frankfurt an der Oder. Auch aus Österreich geflohene Juden gehörten zu denjenigen, die sich an Afrikas Südspitze eine neue Existenz aufbauen mussten.

Neubeginn

Nur wenigen war gelungen, was der verstorbene Ehemann der Literatur-Nobelpreisträgerin Nadine Gordimer, Reinhold Cassirer, schaffte: für den Neustart ein paar wertvolle Gegenstände aus Nazi-Deutschland heraus zu schmuggeln. Viele fingen bei Null an, schlugen sich mehr schlecht als recht mit dem Mut der Verzweiflung und viel Improvisationsgeschick als Farmmanager, Lastwagenfahrer oder Kaufmann durch. Andere, wie Emmily Cohns Vater, hatten in der Heimat als Arzt gearbeitet und fassten schneller Fuß. 1936, bei den Olympischen Spielen, hatte er den Beschluss zur Flucht gefasst. "Er wollte schon 1933 gehen, aber meine Mutter wandte damals ein, dass sie ohne Geld mit einem Kind nicht weg können" sagt die 84-Jährige, die später in Südafrika den aus Wien geflohenen Ernst Wenger heiratete.

Für viele Emigranten war Deutschland jahrelang ein Tabuthema - obwohl die deutsche Sprache wie auch die deutsche Kultur weiter gepflegt wurde. "Die Sprache Goethes war nicht die Sprache Hitlers", meint Beate Kaplan, die als Siebenjährige mit ihren Eltern aus dem hessischen Butzenbach floh. Dennoch zürnte sie ihrem Mann, als der sich vor 40 Jahren einen Mercedes zulegte: "Ich war ihm sehr böse - damals wollte man nichts von Deutschland kaufen." Heute sieht sie vieles gelassener. Wie sie waren viele der geflohenen deutschen Juden mehrfach in Deutschland und haben Freunde oder Bekannte aus alten Tagen getroffen. Ein Teil der Ausstellung ist dem Kapitel der deutschen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gewidmet. (APA/dpa)