Von links nach rechts: Die StadträtInnen Andreas Mailath-Pokorny und Sonja Wehsely, Historikerin und Kuratorin Ines Rieder, Organisator Hannes Sulzenbacher

Foto: derStandard.at, Thomas Bergmayr

Mediale Enttabuisierung des Themas in den 70ern (wenn auch noch nicht mit der Sprache der Gegenwart): "profil"-Cover aus dem Jahr 1976

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Die "Ahninnen-Galerie" von Sigrid Hutter enthält Porträts unter anderem von Gertrude Stein, Patricia Highsmith und Erika Mann (im Vordergrund: Alice B. Toklas)

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Wien - 2005 steht auf dem Kalender, und "Geheimsache: Leben" ist in der Tat die erste Großausstellung ihrer Art in Österreich: eine umfassende Schau über das schwule und lesbische Leben im Wien des 20. Jahrhunderts. Wenn am 4. November die Ausstellung für das Publikum eröffnet wird, erschließt sich damit ein Kapitel der Geschichte, das so konsequent verdrängt wurde, dass es nicht einmal Schwulen und Lesben als Gesamtbild geläufig sein dürfte.

Ein Jahr dauerten Konzeption und Aufbau der vom Verein "Ecce Homo" organisierten Ausstellung, denn es galt grundlegende Arbeit zu leisten: Die über 500 Exponate - Zeitzeugnisse einer blühenden Kultur einerseits und anhaltender Diskriminierung andererseits - mussten erst mühsam zusammengetragen und in einen historischen Kontext eingefügt werden.

Die Bereiche

Die Ausstellung in der Neustifthalle im 7. Wiener Bezirk erstreckt sich über 1.700 Quadratmeter und ist in vier Bereiche gegliedert; jeder davon als eine eigene Blickinszenierung gestaltet.

"Das Labor" ist den fremdbestimmten Bildern homo- und transsexueller Menschen gewidmet: wissenschaftliche Abhandlungen (darunter der historisch erste Vermerk des Wortes "homosexual") ebenso wie künstlerische und mediale An- und Zumutungen; letztere reichen von den 20er Jahren bis zur Wolf Martin-Kolumne der Kronenzeitungs-Gegenwart.

"Die Stadt" hält den fremdbestimmten Klischees den gelebten Alltag entgegen - entsprechend der Zielsetzung der OrganisatorInnen, den Fokus nicht auf eine "Opferrolle" einzuschränken. Exzentrisch-glamouröse Outfits von Marlene Dietrich finden sich hier ebenso wie sehr persönliche Lebensberichte und eine Dokumentation des gegen Ende des 20. Jahrhunderts förmlich explodierenden Veranstaltungslebens.

"Der Spiegel" stellt Täter und Opfer im nicht enden wollenden Kreislauf von Diskriminierung, Verfolgung und Geheimhaltung einander gegenüber. Herausragendes Stück dieser Abteilung ist der Rosa Winkel des KZ-Insassen Heinz Heger, eine Leihgabe des Washingtoner Holocaust Memorial Museum. Aus der jüngeren Vergangenheit stammt zum Beispiel ein Brief des damaligen ORF-Intendaten Gerd Bacher an Günter Tolar, in dem er sich dessen "kontinuierliches coming out" in der Öffentlichkeit verbittet und auch vor dem Wort "angewidert" nicht zurück schreckt; das Jahr: 1993. Und auf einer CD sind Beschimpfungen, die auf dem Anrufbeantworter der Rosa Lila Villa eingegangen sind, anzuhören.

"Leidenschaften" schließlich ist der bewusst positive Ausklang der Ausstellung: Eine bunte Sammlung, die sowohl die Werke von KünstlerInnen, welche ihre eigene Homosexualität thematisieren, als auch privatere Obsessionen umfasst - von einer Messersammlung aus Privatbesitz bis zu einem Schaukasten mit Barbie-Puppen des Lifeball-Organisators Gery Keszler.

Finanzierung in einem "Entwicklungsland"

Die Kosten der Ausstellung in Höhe von 300.000 Euro wurden praktisch zur Gänze von der Stadt Wien getragen - von sämtlichen Bundesministerien setzte es Absagen, auch privates Sponsoring konnte nur in bescheidenstem Ausmaß aufgetrieben werden - ein weiteres Zeichen für die nach wie vor mangelnde Bereitschaft der österreichischen Mainstream-Gesellschaft, sich mit dem Thema Homo- und Transsexualität auseinander zu setzen.

Antidiskriminierungs-Stadträtin Sonja Wehsely nannte Österreich auf der Pressekonferenz zur Ausstellungseröffnung ein "Entwicklungsland" in Sachen Gleichstellung. Wehsely, Kultur- und Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Ausstellungsorganisator Hannes Sulzenbacher machten aus der Not eine Tugend und erklärten "Geheimsache: Leben" unisono zur inoffiziellen "Wiener Landesausstellung" - ein Beitrag zum "Jubiläumsjahr" jenseits affirmativer Nostalgie.

Ein weiterer Schritt wird die Errichtung eines Mahnmals für die homo- und transsexuellen Opfer des Nationalsozialismus am Wiener Morzinplatz sein. Derzeit läuft noch ein internationaler Wettbewerb zur Gestaltung des Mahnmals (zum aktuellen Zwischenstand gibt es Informationen unter publicartvienna.at ) - noch vor Weihnachten soll der siegreiche Entwurf ausgewählt sein. (Josefson)