Die Sachverständigen sprechen klare Worte: Seibane Wague ist wie ein Lawinenopfer gestorben – unter der Last von etwa 100 Kilo, mit denen die Angeklagten minutenlang auf den Rücken des Liegenden drückten.

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Wien – Stimmungsumschwung im Großen Schwurgerichtssaal: Sechs Prozesstage lang mühten sich neun Angeklagte (mithilfe ihrer Verteidiger und wohlwollender Zeugen), die gute Absicht, das karge Wissen und das reine Gewissen hervorzukehren, mit welchen sie dem tobend psychotischen Patienten Seibane Wague in jener Ausnahmesituation im Wiener Stadtpark im Sommer 2003 entgegengetreten waren, ihn zu Boden drückten und auf ihm standen und knieten, bis er sich nicht mehr rührte. Nun erfährt man mit knappen, scharfen Worten, was die Polizisten angerichtet, was die Sanitäter zugelassen und was der Notarzt verabsäumt hatte. Medizinische Sachverständige erklären, was mit dem in Bauchlage fixierten Patienten geschehen ist, warum, woran und worunter er sterben musste. – "Unter einer Last von mehr als 100 Kilo, die mehrere Minuten auf den Rücken des Mannes eingewirkt haben", sagt Gerichtsmediziner Daniele Risser.

Seibane Wague starb an den Folgen eines "Druckstaus". Der Fachausdruck heißt Thoraxkompressionssyndrom. "Wir kennen das von den Lawinentoten", erklärt Kurt Hudabiunigg, der Kollege von der Intensivmedizin. Durch den Druck, der auf Wague lastete, wurde die Atmung unterbunden und der Blutrückfluss ins Herz verhindert. Das führte zum Herz- Kreislauf-Stillstand.

Weitere Faktoren

Laut Risser spielten dabei noch drei andere Faktoren eine Rolle: Der 33-jährige Mauretanier litt nämlich an einem vorgeschädigten Herzen, bei der Obduktion wurde ein angeborener Herzklappenfehler entdeckt. "Das Herz war kugelrund und doppelt so schwer wie bei einem gesunden Mann", sagt der Gutachter. Dies in Kombination mit dem Erregungszustand und "einem gewissen Drogeneinfluss" – es konnten Spuren von Haschisch nachgewiesen werden – habe "das tödliche Geschehen begünstigt". Die Ursache war allerdings der Druck auf den Rücken. Mindestens fünf Polizisten und zwei Sanitäter hatten den Afrikaner unter Einsatz ihres Körpergewichts am Boden fixiert.

Schwer belastet wird auch der Notarzt: Als sich Wague nicht mehr rührte (was der Arzt auf die Beruhigungsspritze zurückführte, wobei er hätte wissen müssen, dass diese erst zehn bis 15 Minuten später wirken würde), hätte er sofort Wiederbelebungsversuche einleiten müssen. Die Reanimation setzte allerdings, wie der Notfallmediziner errechnete, "drei bis vier Minuten zu spät" ein. Heute werden die Urteile gesprochen. (Daniel Glattauer, DER STANDARD – Printausgabe, 4. November 2005)