London/Paris - Der Euro hat seine Talfahrt am Mittwoch beschleunigt und ist erstmals unter einen Kurs von 0,89 Dollar gefallen. Am wichtigsten europäischen Devisenmarkt in London stürzte die europäische Gemeinschaftswährung auf ihren bisherigen Tiefstand von zwischenzeitlich 0,8899 Dollar. Zuvor hatte sich der Euro bereits in New York und auf dem asiatischen Markt schwach gezeigt. Devisenhändler und Ökonomen rechneten mit einem weiteren Kursverfall. Einleuchtende wirtschaftliche Gründe gebe es dafür aber nicht. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Laurent Fabius führte die anhaltende Euro-Schwäche auf mangelnde politische Einheit in den Ländern der Euro-Zone zurück. "Für diese Währung interessiert sich einfach niemand mehr" "Investoren und Spekulanten hören auf nichts mehr, sie verkaufen nur noch Euro gegen Pfund Sterling oder Dollar", berichtete Neil Parker von der Royal Bank of Scotland. "Für diese Währung interessiert sich einfach niemand mehr." Auch die sich abzeichnende Aufnahme Griechenlands in den Kreis der Euro-Länder, die am Mittwoch trotz einer hohen Verschuldung Athens von der EU-Kommission empfohlen wurde, habe keinen Ausschlag für den weiteren Kursverfall gegeben, sagten Händler. Eigentlich verfügten die europäischen Staaten über ein "starkes Wirtschaftspotenzial", sagte Fabius in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung "Le Nouvel Observateur". Allerdings sei die "politische Einheit" der am Euro beteiligten Staaten "noch nicht stark genug". Dadurch werde der Wert des Euro nach unten gedrückt, fügte Fabius in dem Anfang der Woche geführten Interview hinzu. Aktionsplan zur Stabilisierung Die FDP forderte die deutsche Regierung unterdessen auf, gemeinsam mit Frankreich und Italien einen Aktionsplan zur Stabilisierung der Gemeinschaftswährung vorzulegen. Die Strukturprobleme in den drei größten Euro-Ländern seien "wesentlich für den Wechselkursverfall verantwortlich", betonte der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle. Notwendig seien flexiblere Arbeitsmärkte, eine Reform der Sozialversicherungen und die Verringerung der Staatsquote. Brüderle distanzierte sich aber von Forderungen der CDU nach einem europäischen Währungsgipfel, mit dem die Voraussetzung für eine Erholung des Euro geschaffen werden soll. "An der Euro-Schwäche wird sich nichts ändern solange nicht echtes Geld nach Europa zurückkommt" Die Währungsspezialistin Sonja Hellemann von der französischen Bank Paribas betonte, solange weiter große Mengen Kapitals von Europa in die USA flössen, werde sich die Gemeinschaftswährung kaum erholen. Händler nannten unter anderem den am Montag verkündeten Kauf der US-Firma Medical Systems durch Siemens im Wert von 2,1 Mrd. Dollar (2,36 Mrd. Euro/32,4 Mrd. S). "An der Euro-Schwäche wird sich nichts ändern solange nicht echtes Geld nach Europa zurückkommt", sagte Hellemann. Dazu müsse sich aber zunächst das starke Wachstum in den USA abschwächen. (APA)