Wien - Eine Woche vor dem geplanten Beschluss im Ministerrat wird in den Begutachtungsstellungnahmen zum neuen Staatsbürgerschaftsrecht heftige Kritik geübt. Aus eigenen reihen müssen Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) und Justizministerin Karin Gastinger (BZÖ), die für den Entwurf verantwortlich sind, einiges einstecken. Sowohl Kanzleramt als auch Sozialministerium haben etliches auszusetzen. Besonders scharfe Kritik äußert die Rechtsanwaltskammer: "Der Entwurf der Novelle ist offenkundig mehr vom Bemühen um Verschärfung, als von sachgerechter Auseinandersetzung mit erkannten Detailproblemen getragen."

Kritisiert wird, dass anerkannte Flüchtlinge gegenüber niedergelassenen Fremden benachteiligt würden.

Als "sachlich nicht gerechtfertigt und überzogen" wird abgelehnt, dass jegliche Freiheitsstrafe (bisher nur bei mehr als drei Monaten) als Ausschlussgrund für die Staatsbürgerschaft determiniert wird. Das Bundeskanzleramt fordert hier zumindest eine Prüfung auf den Gleichheitssatz, da bei Finanzstrafverfahren nur eine mehr als dreimonatige Strafe die Staatsbürgerschaft verhindert. Bedenken haben die Rechtsanwälte zusätzlich bei der Regelung, wonach ein Naheverhältnis zu einer "extremistischen oder terroristischen Gruppierung" zu einer Passverweigerung führen kann. Hier fehle es an entsprechenden Definitionen.

Skeptisch ist man beim Rechtsanwaltskammertag auch, was die Verweigerung der Staatsbürgerschaft betrifft, wenn der Werber bestimmte finanzielle Voraussetzungen nicht erfüllt. Bekrittelt wird, dass auch bei unverschuldeter Notlage kein Pass verliehen wird. In diesem Punkt treffen sich die Rechtsanwälte mit dem Sozialministerium. Dessen Experten verstehen nicht, warum der Bezug der Notstandshilfe explizit als zu wenig für die Berechtigung zum Passerwerb festgeschrieben wird. Schließlich sei die Notstandshilfe wie das Arbeitslosengeld eine beitragsabhängige Versicherungsleistung. Eine verfassungsrechtliche Abklärung sei hier erforderlich. Das Gleiche empfiehlt auch das Bundeskanzleramt.

Kein Gefallen im Sozialressort finden auch die Bestimmungen für Kinder, die laut Begutachtungsentwurf positive Schulnoten als Voraussetzung für die Staatsbürgerschaft vorbringen müssen. Das Bildungsministerium stellt dazu in seiner Stellungnahme lapidar fest: "Insgesamt wird daher die Auffassung vertreten, dass ein wie im vorliegenden Entwurf vorgesehenes Abstellen auf schulrechtliche Bestimmungen untauglich ist."

Noch härter formuliert das Bundeskanzleramt: "Die Gleichsetzung von schulischem Erfolg/Misserfolg und erfolgter/nicht erfolgter Integration ist nicht nachzuvollziehen." (red/DER STANDARD, Printausgabe, 8.11.2005)