Damaskus/Kairo/Wien - "Ich erwarte, dass Syrien kooperiert", sagte UNO-Generalsekretär Kofi Annan am Dienstag bei seinem Besuch in Kairo - schließlich habe die syrische Führung im Frühjahr auch UNO-Resolution 1559 umgesetzt und ihre Truppen aus dem Libanon abgezogen.

Ein neuer Bericht des mit der UNO-Untersuchung des Mords am libanesischen Expremier Rafik al-Hariri beauftragten Berliner Oberstaatsanwalts Detlev Mehlis ist Mitte Dezember fällig; der erste hatte Syrien belastet und unzureichende Kooperation mit den Ermittlern konstatiert. Daraufhin verabschiedete der Sicherheitsrat einstimmig Resolution 1636, die unter Androhung von "weiteren Aktionen" Damaskus zur vollen Zusammenarbeit auffordert.

Mehlis-Report

Der Botschafter Syriens in Wien, Safwan Ghanem, betonte am Dienstag in einem Gespräch mit Journalisten die syrische Kooperationsbereitschaft. Ganz abgesehen davon, was Syrien über den ersten Mehlis-Report und die darauf folgende UNO-Resolution 1636 denke, so Ghanem, man füge sich den Realitäten und werde voll mit Mehlis zusammenarbeiten. Das solle nicht heißen, dass man zuvor nicht kooperiert habe: Syrien habe auf Grundlage dessen mit den UNO-Ermittlern zusammengearbeitet, was es für zwischen den beiden Seiten abgemacht hielt - es habe sich jedoch herausgestellt, dass das Mehlis zu wenig war.

Mechanismus festlegen

Um künftige Missverständnisse zu vermeiden, sei es wichtig, so der Botschafter, dass der Mechanismus der Zusammenarbeit genau festgelegt werde, dieser Prozess werde bald abgeschlossen sei. Zur Frage, ob Syrien auch gestatten werde, dass Zeugen im Ausland verhört werden, sagte Ghanem, in Prinzip könne Mehlis aufgrund der UNO-Resolution - die souveränitätsverletzende Punkte enthalte - alles verlangen. Bestimmte Fragen müssten aber geklärt werden, etwa, was passiere, wenn ein Zeuge zum Verdächtigen werde etc.

Das klarste Zeichen für den syrischen Kooperationswillen sei die Aufstellung einer eigenen syrischen Untersuchungskommission, die einerseits ihre eigene Ermittlungen betreiben, andererseits mit den Justizbehörden im Libanon und mit Mehlis zusammenarbeiten werde. Die Kommission habe auch bereits Kontakte aufgenommen, die die Mitarbeit von arabischen und internationalen Experten sichern soll.

Antisyrischen Stimmung

Die Frage, warum so eine Kommission nicht sofort nach dem Hariri-Mord im Februar gegründet wurde, beantwortet der Botschafter so: In der allgemeinen antisyrischen Stimmung hätte das wie ein Eingeständnis ausgeschaut. "Wir haben das Verbrechen verurteilt und unsere Unschuld erklärt, und wir bleiben noch immer dabei, was wir damals gesagt haben - aber wir müssen uns mit der Resolution abfinden."

Im Übrigen gelte, was Präsident Bashar al-Assad im CNN-Interview gesagt habe: Wenn es bewiesen werde, dass ein Syrer in das Verbrechen verwickelt ist, wird er als "Verräter" vor Gericht gestellt werden. In Syrien kann das ein Todesurteil bedeuten. (guha/DER STANDARD, Printausgabe, 9. 11.2005)