Wien - Zu den ersten beiden Akten von George Enescus Oper Oedipe nur so viel: wie gut, dass Andrea Breth sie nicht miterlebt hat! Die streitbare deutsche Regisseurin wäre in der Pause vermutlich schnurstracks in die Direktionsetage der Wiener Staatsoper gestürmt und hätte, wenn schon nicht Ioan Holenders Budgetreserven, so dann doch zumindest seinen Haussafe geplündert - zwecks Schmerzensgeldbeschaffung ob des gerade erlittenen künstlerischen Mittelmaßes.

Denn nach dem Rausch der Jubiläumsfeierlichkeiten am Wochenende manifestierte sich am Montag der Kater des Repertoirealltags: Gleich dem blinden Seher Tiresias tastete sich das Staatsopernorchester (unter der Leitung von Michael Boder) mühselig durch die wild-ekstatischen Klanglandschaften von Enescus Oedipe. Die Wiener Staatsoper ist neben all dem permanenten Posaune von der "Würde des Hauses" eben auch: wenn maue Bühnenorchesterproben als Aufführungen tituliert und verkauft werden.

Schade, hätte doch das kompositorische Gemälde Enescus durchaus etwas restaurative Pflege verdient gehabt: Mit erdigen, blutschweren, dunkel-und funkelfarbigen Klängen illustriert der Rumäne den Schicksalskampf des Verfluchtesten aller.

Schrei der Erkenntnis

Das Ensemble gab sich etwas werksicherer als das Orchester, wenn auch hier kein Funke des Außergewöhnlichen die Düsternis des Mittelmaßes erhellen wollte. Immerhin schrie Esa Ruuttunen (als Oedipe) einen markerschütternden Schrei der Erkenntnis; und Margareta Hintermeier markierte als seine Mutter/Gattin Jocaste einen isolierten Punkt des Glamour in der ansonsten grottenbiederen Götz-Friedrich-Inszenierung.

Eigentlich kann er nichts für die ganze Malaise, meint Oedipus am Ende, weil: War alles vorherbestimmt! Fatalistisch farbloser Finalapplaus von den Schicksalsgeknechteten des launischen Gottes mit Namen Repertoiretheater. (end/DER STANDARD, Printausgabe, 9.11.2005)