Die Situation in St.Georgen rund um das Flüchtlingslager Thalham hat sich dramatisch zugespitzt. Geschäftsleute klagen über hohe Kriminalität, Hoteliers fürchten um ihre Gäste, und der Bürgermeister hadert mit sich selbst.

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St. Georgen – Ein Bürgermeister-Leben kann hart sein – vor allem, wenn man einem Ort wie St. Georgen im Attergau vorsteht und in erster Linie Prellbock zwischen Asylwerbern, Bevölkerung und Innenministerium ist. ÖVP-Gemeindeoberhaupt Wilhelm Auzinger sitzt in seinem penibel aufgeräumten Büro, arge Selbstzweifel plagen den Religionslehrer.

"War zu naiv"

Vielleicht hätte er damals doch "entschlossener auftreten sollen". Damals, dass war im Mai 2004, als das Innenministerium die Flüchtlingsbetreuungsstelle Thalham in eines von drei Asyl-Erstaufnahmezentren umwandelte. Seitdem ist es in St. Georgen vorbei mit der Tourismusidylle. "Ich war zu naiv und gutgläubig. Ich habe mir noch gedacht, dass alles besser wird.

Aber was hätte ich machen sollen. Ich war erst kurz im Amt und einfach überfordert", klagt Auzinger. Sein Verhältnis zum Innenministerium ist heute merklich getrübt, denn dort habe man ihn "über den Tisch gezogen und vor vollendete Tatsachen gestellt".

Lange aufgestauter Ärger dürfte auch das Motiv für einen jüngst von der ÖVP-Fraktion verfassten Brief an Innenministerin Liese Prokop gewesen. "... Wir haben nichts mehr zu verlieren, denn die Bevölkerung wird schon bald mit Steinen auf uns werfen. Wir sind zur Brutstätte der Kriminalität geworden, haben wir St. Georgener keine Menschenrechte? ..." Der scharfe Ton "muss sein, sonst passiert nichts", so Auzinger fast entschuldigend.

"Die Situation ist grausam", meint auch Gemischtwaren-Händlerin Anneliese Haslinger. "Vor meinen Augen stehlen mir die täglich was aus den Regalen. Die Bewohner haben Angst, Frauen trauen sich nicht mehr allein auf die Straße. Das ist doch kein Leben", erzählt Haslinger.

Gokartbahn

Eine Lösung hätte die resolute Geschäftsfrau parat: "Mein Sohn hat gesagt, das Areal des Flüchtlingsheims wäre ideal für eine Gokartbahn."

"Wir haben uns ja nicht beworben um die Erstaufnahme-Stelle. Das Problem müssen wir aber jetzt allein bewältigen", ist auch Hotelier Karl Söllinger verzweifelt. Das Ganze sei aus touristischer Sicht ein "Wahnsinn", denn die heile Urlaubswelt mit "Schifferlfahren und Kuhstreicheln" sei jetzt dahin.

Ausländerprobleme "haben viele daheim auch, das braucht keiner im Urlaub". Natürlich benötige man, so Söllinger, solche Einrichtungen, aber "bitte an den EU-Außengrenzen". Des Hoteliers Lösung für Thalham: "Die Flüchtlinge gehören in Quarantäne, dass würde die Situation entschärfen." (DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2005)