Können wir die Sache X wirklich fordern? Dürfen wir die Position Y vertreten - oder sind wir vielleicht dann nicht mehr regierungsfähig? - Derart bange Fragen haben im vergangenen Jahr den politischen Auftritt der Grünen dominiert und gehemmt. Nur ja nicht anecken, auf keinen Fall provozieren - das war die defensive Devise, mit der die Lizenz zum Mitregieren erworben werden sollte. Statt mit angriffigen Standpunkten oder Konzepten beschäftigte sich der grüne Klub lieber mit dem Proben von Ministerratssitzungen.

Die lauen Ergebnisse bei den drei Landtagswahlen im Oktober waren auch die Konsequenz dieser lauen Politik. Den Grünen ist das seltene Kunststück gelungen, den Regierungsmalus noch als Oppositionspartei und schon zu einem Zeitpunkt einzufahren, als sie nur in ihren Wunschträumen in Ministersesseln Platz nehmen durften. Die übergroße Sorge, nur ja gleich laute Signale an Schwarz und Rot auszusenden, hat die Grünen fast überhaupt verstummen lassen.

Insofern ist die nun losgetretene Debatte über das Konkordat fast so etwas wie ein neues grünes Lebenszeichen. Sicher, diese Diskussion ist den Grünen durch den Ausbruch eines Bezirksrates schlicht passiert, war weder geplant noch gewünscht. Die hektischen und übertriebenen Reaktionen der ÖVP auf diese (ungewollte) Provokation waren aber dennoch enorm und zeigen den Grünen, welche Aufmerksamkeit man mit Angriffigkeit erlangt: Wann hat der Bundeskanzler zuletzt auf einen Bezirksrat reagiert - also eine politische Größe, die er sonst gern als "siebten Zwerg von links" abkanzelt und anschweigt?

Ja, mehr Angriffigkeit birgt auch die Gefahr größerer Angriffsflächen. Aber die Alternative zum Mut haben die Grünen leidvoll erfahren: Angst essen Profil auf. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2005)