Nach knapp einem Jahr im Amt hat EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zum eisernen Besen gegriffen. Er krempelte die EU-Behörde an der Spitze kräftig um. Die Ernennung von 17 neuen Generaldirektoren und deren Stellvertreter ist kein schlichtes Austauschen von Personen, damit manifestiert sich vielmehr ein massiver Kurswechsel der gesamten EU-Kommission.

Der konservative Portugiese Barroso, der selbst einen wirtschaftsliberalen Kurs vertritt, setzt vor allem Reformer an die Schaltstellen der EU-Bürokratie. Die wichtigen Portfolios in den Kernbereichen Handel, Transport und Energie vertraut Barroso künftig Iren und Briten an, in deren Heimatländern auch ein klar wirtschaftsliberaler Kurs vertreten wird. Zusätzlich wird die Irin Catherine Day Generalsekretärin der EU-Behörde mit rund 20.000 Mitarbeitern. Damit wird die französische Vorherrschaft in Brüssel, die einer lang gepflegten Tradition seit Gründung der EU entspricht, gebrochen. Selbst seine aus Frankreich stammende Sprecherin Fran¸coise Le Bail entfernt Barroso aus dem Rampenlicht, um sie wieder in der EU-Bürokratie untertauchen zu lassen. Auch der einflussreiche Franzose Fran¸cois Lamoureux, der wegen seiner unbeugsamen Haltung von den EU-Beamten als eine Art Held verehrt wird, musste seinen Posten als Generalsekretär für Transport und Energie räumen.

Es ist durchaus trickreich von Barroso, dass er just das Agrar-Generaldirektorat einem Franzosen - Jean-Luc Demarty - überließ. So können sich die Pariser Regierungsvertreter direkt bei ihrem Landsmann beschweren, wenn etwas nicht in ihrem Sinne läuft, was bei der Agrarpolitik häufig der Fall ist. Mit den Umbesetzungen hat Barroso klar gemacht, dass die Zeiten, in denen Frankreich starken Einfluss in Brüssel hatte, vorbei sind. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.11.2005)