Wien - Der Blick über die Landesgrenzen schärft die Sinne. Der Vorsitzende der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, Endokrinologe Johannes Huber, berichtete von Entwicklungen in Europa, die Folgen für die Empfehlung seiner Expertengruppe haben werden.

So hat etwa die "dramatische Veränderung der Alterspyramide" und die entsprechende Zunahme an Alzheimer-Fällen sowohl Befürworter einer aktiv(er)en Sterbehilfe vor allem in der Schweiz auf den Plan gerufen wie Forscher in Frankreich, die sich in der präventiven Neurologie engagieren.

Außerdem lassen neue Veröffentlichungen den Schluss zu, dass einmal, auch als Fötus, erworbene Schädigungen tatsächlich vererbbar sind: dass etwa exogene Giftstoffe noch in der nächsten Generation zu einer vergrößerten Prostata führen können. Sogar soziales Verhalten, durch frühen TV-Konsum geprägt, sei bei Nachgeborenen als vorprogrammiert gefunden worden.

Die Kommission, deren Vorsitz um die Medizinerin Christine Mannhalter erweitert wurde, will ein "Vorwarnsystem" sein: Damit begründete Huber die Notwendigkeit baldiger neuer Berichte sowie einer ständigen Überprüfung der ethischen Voraussetzungen in der Humangenetik. Eine weitere Untersuchung, diesmal aus Belgien, habe gezeigt, dass Präimplantationsdiagnostik (PID) keinen besseren Schwangerschaftsausgang erwarten lasse. Diese Erkenntnis sollte in die Gesetzgebung in Österreich einfließen.

In Summe war die Konferenz mit den Bioethikern also zuvorderst eine Tour durch den europäischen Horizont dessen, was in naher Zukunft an Debatten anstehen wird. Jetzt schon zur Diskussion stehen könnte immerhin die propagierte Konvergenz aller naturwissenschaftlicher Forschungsrichtungen: "Converging technologies" ist zum Modebegriff geworden. Die Umsetzung aber erfordert, so sieht das auch Johannes Huber, ein noch genaueres Abwägen der begleitenden ethischen Fragen. (mf/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 11. 2005)