STANDARD: Der für Oktober geplante Start der Venus-Sonde musste verschoben werden. Was war passiert?
Schmidt: Es war vier Tage vor dem Start, kurz bevor die Rakete auf den Startplatz geschoben werden sollte: Ein Ingenieur hat jene Schutzhülle geöffnet, mit der die oberste Stufe der Trägerrakete und die Sonde eingepackt sind. Er sollte die Stromversorgung von Sonde und Rakete miteinander verbinden. Dabei hat er entdeckt, dass unter der Schutzhülle glänzendes Material herumliegt, das da nichts verloren hat. Er hat sofort Alarm geschlagen, die Startprozedur wurde daraufhin unterbrochen. Das war natürlich sehr ärgerlich, denn alles war schon vorbereitet. Sämtliche VIPs waren unterwegs zum Raumfahrtbahnhof in Baikonur, alles war bereit.
STANDARD: Sind Sie nervös geworden? Immerhin ist erst vor Kurzem ein ESA-Satellit verglüht, weil die russische Trägerrakete versagt hatte.
Schmidt: Nein, wir waren alle völlig relaxt. Der "Venus-Express" wird von einer "Sojus"-Rakete ins All gebracht, diese Raketen sind extrem zuverlässig. Die haben schon 1800 Starts absolviert. Aber so ist das in der Raumfahrt: Wenn es nur den kleinsten Hinweis auf einen Defekt gibt, wird der Start abgebrochen. Mit einem schlechten Gefühl kann man nicht starten. Jeder Zweifel muss ausgeräumt werden. Das wurde auch hier gemacht.
STANDARD: Woher kam das glänzende Material?
Schmidt: Irgendjemand hat die Belüftung zu stark aufgedreht, mit der die Sonde und die Rakete gekühlt werden. Deshalb haben sich fingernagelgroße Teilchen einer Isolierfolie gelöst. Der oberste Teil der Rakete und die Sonde mussten deshalb in einen Reinstraum gebracht und gereinigt werden.
STANDARD: Haben diese Probleme damit zu tun, dass der "Venus-Express" in der Rekordzeit von nur dreieinhalb Jahren startbereit gemacht wurde?
Schmidt: Nein, wir sind ja schon routiniert im schnellen Arbeiten. Der "Mars-Express" hat auch nur viereinhalb Jahren nach Projektbeginn abgehoben. Um das zu schaffen, haben wir die Zusammenarbeit mit der Industrie optimiert, das hat viel Zeitersparnis gebracht. Neben diesem Know-how haben wir von damals auch noch Hardware mitgenommen, die konnten wir für den "Venus Express" verwenden - die beiden Sonden sind ja fast baugleich.
STANDARD: Sie unterscheiden sich allerdings in der Farbe. "Mars-Express" ist schwarz, "Venus-Express" glänzt golden. Ein Mode-Statement?
Schmidt: Nein. Die Farbe hilft bei der Temperaturregelung. Der "Mars-Express" ist von der Sonne weg geflogen, seine schwarze Hülle hilft, die schwächere Sonnenstrahlung einzufangen. Dadurch sinkt die Temperatur an Bord nicht zu tief. Der "Venus-Express" fliegt dagegen in Richtung Sonne. Deshalb muss die Sonde die Sonneneinstrahlung reflektieren, um ein Überhitzen der heiklen Gerätschaften zu verhindern.