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Gewerkschaftsführer Amir Peretz beendet die Ära Peres in der Arbeiterpartei

AP Photo/Tsafrir Abayov
Nach seiner Kür zum Arbeiterparteichef kündigte Amir Peretz das Ende der Koalition mit dem Likud an. Bei Wahlen könnte eine neue Partei antreten – mit Ariel Sharon und Shimon Peres.

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Nicht nur dem Likud, auch der Arbeiterpartei droht vielleicht eine Spaltung – in Israel sprach man von einem "politischen Erdbeben" und einem "Umbruch", nachdem der hemdsärmelige Aufsteiger Amir Peretz mit 42 Prozent der Vorwahlstimmen das Establishment der Sozialdemokraten ausgehebelt hatte. Der schon 82-jährige Friedensnobelpreisträger Shimon Peres, dem Umfragen einen gewaltigen Vorsprung im Rennen um die Parteiführung bescheinigt hatten, kam nur auf 40 Prozent und ist trotz seiner Beschwerden über "Unregelmäßigkeiten" wohl endgültig als ewiger Verlierer abgestempelt.

Der Sieg von Peretz wird vermutlich auch das vorzeitige Ende der Regierung von Ariel Sharon nach sich ziehen, denn der 53-jährige Gewerkschaftsboss will die große Koalition mit dem Likud beenden. "Wir wollen auseinander gehen", sagte Peretz in seiner Siegesrede, "aus Verantwortung gegenüber der Demokratie und um die Arbeiterpartei zu einer Alternative zu machen, die bei den nächsten Wahlen die Macht erringt."

Peretz verbessert Wahlchancen der Arbeiterpartei

Mit der Wahl des Gewerkschaftsführers Peretz zu ihrem Vorsitzenden hat die Arbeiterpartei ihre Aussichten bei der Parlamentswahl verbessert. Nach dem Ergebnis einer Umfrage der Tageszeitung "Maariv" vom Freitag würde die Arbeiterpartei derzeit 27 der 120 Abgeordnetensitze im Parlament gewinnen. Derzeit sind es 22. Die Likud-Partei von Ministerpräsident Ariel Sharon würde drei Sitze einbüßen und käme auf 37. Peretz soll am Sonntag mit Sharon zusammentreffen, um über den Termin für vorgezogene Parlamentswahlen zu sprechen.

In einer Umfrage der Zeitung "Haaretz" kam die Arbeiterpartei auf 28 Sitze und Likud auf 39. Sollte Sharon jedoch seine Partei verlassen und eine neue Liste mit dem abgewählten Chef der Arbeiterpartei, Vizepremier Shimon Peres, bilden, würden sie gemeinsam 32 Sitze gewinnen. Die Arbeiterpartei könnte in dem Fall 27 Mandate erobern, Likud unter dem früheren Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu 25.

Parlamentswahlen bereits im März verlangt

Amir Peretz will nach dem von ihm angekündigten Austritt aus der Koalition mit dem konservativen Likud-Block von Ministerpräsident Ariel Sharon die Abhaltung von vorgezogenen Parlamentswahlen bereits im März verlangen. Wie sein Berater Guy Spigelman am Freitag in Jerusalem mitteilte, soll Peretz am Sonntag mit Sharon zusammentreffen.

Die Experten versuchten zu deuten, ob das Phänomen Peretz ein Strohfeuer oder eine nachhaltige Kombination von ideologischer Kehrtwende und Generationenwechsel darstellt. Einen Namen gemacht hat sich Peretz vor allem als Streikführer, über den man sich auch oft ärgerte, weil er unbarmherzig tagelang das ganze Land lahm legte.

Zuletzt trat er ein wenig populistisch als Anwalt derjenigen auf, die wegen des Sparkurses der Rechtsregierung verarmt sind – sein Erfolg wird auf straffe Organisation und die Mobilisierung von Protestwählern aus den schwachen Schichten zurückgeführt.

Shimon Peres selbst war es, der Peretz als Verstärkung in die Arbeiterpartei holte, um jetzt selbst von ihm gestürzt zu werden. Dass Peretz als Premierkandidat auch Sharon gefährlich werden könnte, kann man sich noch nicht so richtig vorstellen. Er ist zwar schon seit 21 Jahren Abgeordneter, hat aber noch nie ein Regierungsamt ausgeübt. Und er wird es schwer haben, die Loyalität der gedemütigten Parteigranden zu gewinnen. Auch vor den letzten Wahlen hatte Labour mit Amram Mitzna einen neuen Star ins Rennen geschickt, der aber nach kurzer Zeit den Vorsitz hinschmiss. (red/APA/Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 11.11.2005)