Wien - Die Überschüsse des Insolvenz Ausfallgeld Fonds (IAG) oder Pleitenfonds dürfen nicht für fondsfremde Abschöpfungen herangezogen werden. Solche Abschöpfungen sind daher verfassungswidrig.

Die ausschließlich von Unternehmen einbezahlten Beiträge in Höhe von 0,7 Prozent der Bruttolohnsumme müssen gesenkt werden. Dies entschied der Verfassungsgerichtshof (VfGH), der den Pleitenfonds im Laufe der heurigen Herbstsession überprüft hat.

Anlass des Prüfungsverfahrens waren die Beschwerden von drei Unternehmen, darunter die Quelle AG, gegen die Höhe der IAG-Beiträge. Bis zum Beginn der Herbstsession ist die Zahl der Beschwerden auf rund 2.000 explodiert.

Der Verfassungsgericht hat eine Frist zur Reparatur des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes bis zum 30. November 2006 gesetzt.

Abdeckung der Arbeitnehmerforderungen

Die Beiträge zum Insolvenzfonds dienen zur Abdeckung der Arbeitnehmerforderungen im Insolvenzfall. Die Gelder des Pleitenfonds, der nur von den Arbeitgebern gespeist wird, dürfen nicht für andere Zwecke verwendet werden, wenn es keinen persönlichen oder sachlichen Zusammenhang gibt, heißt es in der heute, Donnerstag, veröffentlichten Entscheidung der Verfassungsgerichtshofs (VfGH).

Im Rahmen der Budgetbegleitgesetze 2000 und 2001 hat die Regierung 145 bzw. 269 Mio. Euro für den Versöhnungsfonds für Zwangsarbeiter entnommen. 2003 flossen 85 Mio. Euro und 2005 rund 140 Mio. Euro in die Lehrlingsförderung.

Nach dem Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz muss der IAG-Beitrag so hoch sein, dass der Fonds ausgeglichen bilanzieren kann. Der Beitrag muss gesenkt werden, wenn ein Überschuss des Fonds zu erwarten ist. Ohne die verfassungswidrigen Abschöpfungen war dies bereits ab dem Jahr 2000 der Fall. Spätestens ab Dezember 1999 ist die Beibehaltung des Arbeitgeberbeitrages von 0,7 Prozent gesetzeswidrig, entschieden die Höchstrichter.

Wiederholte Kritik

Der Pleitenfonds ist in jüngster Vergangenheit wiederholt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV) wurde dieser als "Privatschatulle der Bundesregierung" bezeichnet. 2004 hat der IAG-Fonds 421 Mio. Euro aus Dienstgeberbeiträgen eingenommen.

Kein Problem sahen die Verfassungsrichter bei Abschöpfung der Mittel für die Lehrlingsförderung, da diese mit der Lohnsumme zusammenpasse, wie VfGH-Präsident Karl Korinek erläuterte.

Hinsichtlich des Versöhnungsfonds für Zwangsarbeiter könne er nur "spekulieren", sagte Korinek. Rechtlich gesehen gebe es keinen Zusammenhang mit dem Versöhnungsfonds. Im Verfahren sei aber auch unbestritten gewesen, dass die Abschöpfungen an die Pensionsversicherung und Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft an den Versöhnungsfonds weiter gegeben worden seien. Es werde möglich sein, die Mittel aus dem Versöhnungsfonds wieder herauszunehmen, da dort ohnehin noch Gelder übrig geblieben seien, meinte Korinek.

Volumen der Aufhebung

Das Volumen der Aufhebung beträgt laut Korinek ca. sieben bis acht Millionen Euro. Diese Summe wird aber nicht an die Unternehmen zurückfließen. Entschieden wurde, dass die von den Unternehmen bezahlten Beiträge in der Höhe von 0,7 Prozent der Bruttolohnsumme ab Dezember 1999 gesetzwidrig waren und auf 0,4 Prozent gesenkt werden hätten müssen. Die Betriebe werden also die Differenz von 0,3 Prozentpunkten zurück bekommen, was in etwa 3 bis 3,5 Millionen Euro entspreche, wie Korinek sagte.

Profitieren werden von der Aufhebung aber nur rund 35 Betriebe. Der Großteil der rund 2.000 Beschwerdeführer wird durch die Finger schauen, für sie ändert sich an der Höhe des Beitragssatzes nichts. Der Grund: Sie haben erst nach dem Prüfbeschluss des VfGH das Verwaltungsverfahren eingeleitet. Wenn man auch solche Fälle privilegiere - Korinek sprach von "Trittbrettfahrern" - drehe das die Idee der "Anlassfallwirkung" um, so der VfGH-Präsident. Daher habe man nun die Anlassfallwirkung weiter entwickelt. (APA)