Wien - Das Wort "Tragödie" ist schnell gesagt (und hingeschrieben). Aus diesem Prozess schreit es heraus: ein kurzer Kraftakt, ein leichter Faustschlag. Und am nächsten Tag erfährt der gut situierte 23-jährige Kaufmann aus der Zeitung, dass er einen Menschen getötet hat.

Ein Uhr nachts im ersten Bezirk. Den betrunkenen Alex (25) wollen sie gerade nach Hause schleppen. Seine Energie reicht aber noch aus, um eine Autoscheibe einzuschlagen. Die Alarmanlage geht los. Da tauchen zwei Burschen auf. Einer rennt auf die Gruppe zu, steuert Alex an, schreit "Arschloch" und versetzt ihm einen Schlag ins Gesicht.

Schädeltrauma

"Alex ist auf eine schlimme Art umgefallen", schildert seine Begleiterin. "Wie ein Brett?", fragt die Richterin. "Wie ein Sack", sagt die Zeugin. Der Mann krachte mit dem Kopf auf den Asphalt und war sofort tot. Er starb in Folge eines Schütteltraumas, bei dem die Venen abgeklemmt wurden und Blut ins Gehirn trat.

Noch einmal zurück: Ein Uhr nachts. Max und sein Freund steigen ins Auto, bemerken den Einbruch, Radio und CD-Träger fehlen. Sie wollen die Polizei anrufen, da geht schräg gegenüber eine Alarmanlage los. Sie sehen die Dreiergruppe. Der Große in der Mitte hat die Scheibe eingeschlagen. Das muss der Einbrecher sein, glaubt Max. Er läuft auf die Gruppe zu. "Ich hab nicht lange überlegt." - Faustschlag.

Kein Einbrecher

"Ich war zornig, ich hab überreagiert, es ist so dumm von mir gewesen", sagt er mit dünner Stimme. Warum er danach sofort weggelaufen ist? - Aus Angst vor einer Schlägerei. "Und da war so ein seltsames Gefühl", sagt er: "Ich meine, die Art, wie der Mann umgefallen ist." Am nächsten Tag wusste er, dass sein Opfer kein Autoeinbrecher war - und dass er ihn umgebracht hatte.

"Das kann sich keiner vorstellen, wie es einem da geht", sagt der Angeklagte unter Tränen: "Ich kann mich so sehr in die Familie hineinversetzen, was die für ein Leid haben muss."

Max wird wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu 18 Monaten Haft verurteilt, drei davon unbedingt. "Das ist unumgänglich", sagt die Richterin: "Bei der unter jungen Leuten herrschenden Gewaltbereitschaft muss gezeigt werden, dass man nicht Selbstjustiz üben darf." (Daniel Glattauer, DER STANDARD Printausgabe, 11.11.2005)