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Foto: APA/ dpa /Roland Weihrauch
Zarskoje Selo/Wien – Gemessen am Mythos ist der erste Eindruck nicht unbedingt überwältigend. Das Bernsteinzimmer im Katharinenhof, dem Sommerpalast der russischen Monarchen in Zarskoje Selo (Zarendorf) bei St. Petersburg, entfaltet seine Faszination erst nach und nach. Damit sich die Details dieses in Material und Verarbeitung weltweit einzigartigen Kunstwerks zu einem Ganzen formen, muss man sich Zeit und Muße nehmen. Und das ist schwierig angesichts der Besucherscharen.

Deren Zahl ist nach der Eröffnung des Bernsteinzimmers am 31. Mai 2003, zum 300-Jahr-Jubiläum von St. Petersburg, um die Hälfte gestiegen: von 1,3 auf zwei Millionen im Jahr. Heuer werden es immerhin noch 1,8 Millionen sein. Die erhöhten Einnahmen benötigt das Haus dringend, bringt es doch jährlich umgerechnet 1,7 Millionen Euro aus eigenen Mitteln für die weitere Restaurierung des Palastes auf. Die Kirche etwa glänzt nur außen mit ihren vergoldeten Zwiebeltürmen. Innen herrschen noch Verfall.

"Wir sind zu kommerziellen Aktivitäten gezwungen, um überleben zu können", sagt Pressesprecherin Tatjana Scharkowa. So werden die großen Säle für Empfänge und Konzerte vermietet. Elton John etwa trat hier auf. Wie der Direktor der Eremitage lehnt auch Scharkowa das geplante Gesetz über die Verwaltung der Museen ab: "Mit einer Hand füttert uns der Staat, mit der anderen nimmt er uns das Geld weg."

Drei Millionen Euro stellte die deutsche Ruhrgas AG für die Wiederherstellung des Bernsteinzimmers zur Verfügung, dessen Original während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg abmontiert wurde und seither verschollen ist. Für die Hunderten Spezialisten der Bernsteinwerkstatt von Zarskoje Selo bedeutete die vollendete Restaurierung aber nicht nur persönlichen Erfolg und weltweite Anerkennung. Seither sind viele auf der schwierigen Suche nach einem Job, der ihrem Können auch nur annähernd so entspricht wie das neue alte Prunkstück im Katharinenpalast. (jk / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.11.2005)