Bruno Grimschitz wurde am 28. Dezember 1939 zum Direktor der Österreichischen Galerie bestellt. Obwohl er, nach Hubertus Czernin, "einer der Hauptakteure bei der ,Arisierung' der Wiener Kunstsammlungen" und "einer der größten Profiteure der Enteignung jüdischer Kunstsammlungen" war, konnte er seine Arbeit auch nach dem Ende des NS-Regimes als Sachverständiger des Dorotheums weiterführen. Die Karriere des Bruno Grimschitz ist exemplarisch für die persönliche Verstrickung von Fachleuten in das Unrecht der nationalsozialistischen Kultur- und Museumspolitik. Sie steht aber auch für die personelle Kontinuität nach 1945. Der vorliegende Sammelband widmet sich nicht nur dieser Facette des NS-Kunstraubs in Österreich. Die Publikation stellt vielmehr eine erste Gesamtdarstellung dieses noch jungen Forschungsgegenstandes dar.

Die Autoren kommen aus unterschiedlichen Fachrichtungen wie Publizistik, Rechtswissenschaft, Zeit- und Kunstgeschichte. In ihren Beiträgen präsentieren sie die neuesten Erkenntnisse ihrer Forschungsarbeit und bieten einen Überblick von der NS-Zeit bis zur Gegenwart.

In den zahlreichen Einzel- und Fallstudien lässt sich das Ausmaß des Rassenwahns, des Antisemitismus, der Habgier - sowohl persönlicher, als auch institutioneller Natur - im Kunst-und Kulturbereich und der damit verbundenen menschlichen Tragödien nachvollziehen. Auch der problematische und beschämende Umgang mit den Opfern des NS-Kunstraubs und dem entzogenen Kunst- und Kulturgut bis in die Gegenwart wird thematisiert.

Der Fall der Daisy Hellmann, dargelegt im Artikel von Walter Schuster über den Kunsthändler Wolfgang Gurlitt, ist bezeichnend für die österreichische Rückstellungspraxis geraubten jüdischen Kunsteigentums. Es stand außer Streit, dass ihr Eigentum von den Nationalsozialisten wurde. Dennoch musste die Geschädigte den Nachweis erbringen, dass der Erwerber gewusst hatte, dass es sich bei dem Bild um entzogenes jüdisches Eigentum handelte. Was ihr, und vielen anderen, die sich nach 1945 in einer ähnlichen Situation befanden, nicht gelang. "Dass der Gesetzgeber eine Rückstellung nur davon abhängig machte, ob der Erwerber von der Herkunft aus beschlagnahmtem jüdischem Besitz gewusst hatte, und dieser Nachweis gemäß den strengen Kriterien, die die Rückstellungskommission anlegte, gar nicht zu erbringen war, zeugt von mangelndem Willen, die seinerzeit durch ,Arisierungen' Enteigneten zu entschädigen", schreibt Schuster.

Besonders begierig waren die Nationalsozialisten nach Werken des Osttiroler Malers Albin Egger-Lienz. Das Regime setzte alles daran, aller seiner Bilder habhaft zu werden. "Nicht nur die Bilder mit bäuerlichen Motiven, sondern auch jene, die den Ersten Weltkrieg und den Tod thematisierten. Nach 1945 wurde lediglich ein Teil der Kunstwerke restituiert", wie STANDARD- Redakteur Thomas Trenkler in seinem Beitrag festhält. Darin beschreibt er, auf welche Weise Egger-Lienz-Werke aus jüdischen Sammlungen beschlagnahmt wurden und wie es nach Kriegsende weiterging.

Deren Besitzer bzw. deren Erben versuchten, ihr Eigentum wiederzuerlangen. Anhand der exemplarischen Fälle von Bernhard Altmann und Georg Duschinsky bzw. dessen Sohn Ernst beleuchtet Trenkler den mühseligen Kampf gegen das offizielle Österreich. Ein Kampf, der sich bis in die jüngste Vergangenheit zog und auch hohe mediale Wellen schlug, als ruchbar wurde, dass sich in der Sammlung Leopold enteignete Egger-Lienz-Werke befanden. Rudolf Leopold selbst hatte einige davon erworben. Denn ihm sei kein jüdischer Sammler von Werken des Osttiroler Malers bekannt gewesen: "Egger-Lienz hat nicht dem durchschnittlichen Geschmack von jüdischen Sammlern entsprochen, sie empfanden ihn als zu bäuerlich und derb", wie Leopold bei Trenkler zitiert wird. Offensichtlich eine reine Schutzbehauptung, wie das Dargelegte beweist.

Dass das Regime auch nicht davor zurückschreckte, sich jüdischer Kunsthändler zu bedienen, zeigen die Beiträge von Gabriele Anderl, Walter Schuster und Esther Tisa Francini. Wien diente als "Testgelände" für die Behandlung von Kunstbesitz so genannter Volks-und Staatsfeinde. Eine traurige Vorreiterrolle, die frappierend an Adolf Eichmanns "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" erinnert. Auch das ein Modell, das im gesamten "Dritten Reich" Schule machte.

Die institutionelle Kontinuität wird mit dem Aufstieg des Dorotheums deutlich. Während der NS-Zeit wurde das Wiener Auktionshaus zum wichtigsten Umschlagplatz von enteigneter Kunst. "Dem Dorotheum war es bereits unmittelbar nach dem Krieg gelungen, sich durch die Übernahme neuer Aufgaben auch im Nachkriegsösterreich seine Stellung zu sichern, und vor allem auch, sich einer gründlichen Untersuchung zu entziehen. Während der NS-Zeit gestohlenes Gut wurde weiter über das Dorotheum vertrieben", wie die Herausgeberinnen, Gabriele Anderl und Alexandra Caruso, in der Einleitung feststellen.

Dass von der Beraubung der überwiegend in Wien lebenden österreichischen Juden aber nicht nur die Museen der Bundeshauptstadt, sondern auch die Länder profitierten, zeigen die Beiträge von Claudia-Sporer Heis (Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum) und Martin Kofler (Museum der Stadt Lienz Schloss Bruck). (ALBUM/DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.11.2005)