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Kritik aus den eigenen Reihen nicht nur an Merkel.

Foto: Vogel/AP
Berlin - Trotz heftiger Kritik von vielen Seiten hat der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD mit seinem harten Sanierungskurs die ersten Hürden genommen: Die Spitzengremien der SPD in Karlsruhe sowie die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin stimmten am Sonntagabend der Vereinbarung für die Große Koalition mit breiten Mehrheiten zu. Klare Zustimmung wird auch auf den Parteitagen von CDU, SPD und CSU am Montag erwartet.

Die designierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte nach der Abstimmung in der Unionsfraktion, bei der es nur eine Enthaltung gab: "Man muss die Kritik aushalten." Sie sei auch innerlich davon überzeugt, "dass das das Richtige für das Land ist". Der SPD-Vorstand beschloss einen Initiativantrag, der eine Unterstützung der Großen Koalition auf Basis des Koalitionsvertrages verlangt. Damit verknüpft wird das Votum für den Eintritt von Franz Müntefering als Vizekanzler in das Kabinett, dessen Nachfolger als SPD-Chef am Montag vom Parteitag gewählt wird. Im SPD-Vorstand gab es am Sonntag keine formelle Abstimmung, 90 Prozent der Redner sollen das Koalitionsabkommen aber nach Angaben des SPD-Vizechefs Kurt Beck gelobt haben.

Kritik

Heftige Kritik an dem Koalitionsprogramm kam von den Oppositionsparteien, von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften, aber auch von prominenten CDU-Politikern wie dem Finanzexperten Friedrich Merz. Die FDP prüft eine Verfassungsklage gegen das Budget 2006 der Koalition. Der Koalitionsvertrag soll am Freitag unterzeichnet, Merkel am 22. November zur ersten deutschen Kanzlerin gewählt werden.

"Der Erfolg der Großen Koalition wird daran gemessen, ob es mehr Arbeitsplätze gibt", sagte Merkel am Samstag bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags für die nächsten vier Jahre. "Wir wissen, dass wir mit diesem Koalitionsvertrag den Menschen auch etwas zumuten", räumte sie ein. SPD-Chef Franz Müntefering sagte: "Wer will, dass Deutschland einen guten Weg nimmt, muss uns eine Chance geben."

"Exzellente Grundlage"

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber sprach von einem "Dreiklang aus sanieren, reformieren und investieren". Der Vertrag mit der SPD sei eine "exzellente Grundlage für stabilere Verhältnisse in Deutschland". Der designierte SPD-Vorsitzende Matthias Platzeck sagte: "Was wir hier unternehmen, ist keine Liebesbeziehung. Es ist eine ganz nüchterne Zweckehe."

Für 2006 verzichten Union und SPD bewusst auf die Vorlage eines verfassungskonformen Budgets, um die Konjunktur nicht abzuwürgen, kündigte der designierte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) an. 2006 werden 41 Milliarden Euro Neuverschuldung nur 23 Milliarden Euro Investitionen gegenüberstehen. Laut Grundgesetz dürfen die Kredite die Gesamtsumme der Investitionen nicht übersteigen. Besonders umstritten ist auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent Anfang 2007.

FDP-Chef Guido Westerwelle warf Union und SPD Wählerbetrug vor. Linkspartei-Chef Lothar Bisky nannte die Vereinbarungen "verheerend". Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth sagte, die Bürger würden durch massive Steuererhöhungen abkassiert. Die Wirtschaft nahm die Pläne überwiegend negativ auf. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warf Union und SPD falsche Weichenstellungen vor. ver.di-Chef Frank Bsirske sprach von "Skepsis und Kritik".

CDU-Finanzexperte Friedrich Merz kritisierte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" die Vereinbarung von Union und SPD scharf und griff Merkel auch persönlich an. Er könne eine Handschrift der Union einfach nicht erkennen. Der künftige CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wies die Kritiker in die Schranken. "Die Union kann sich in dem Vertrag gut wiederfinden", sagte er. Merz nahm nicht an der Fraktionssitzung teil. (APA/dpa)